Pfarrerin Bamberger setzt auf einen Wut-Gottesdienst. Geht das in Ordnung, wütend Gottesdienste feiern? Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert sie, was es mit dem Gottesdienst-Format "Herzenssachen" am Sonntagabend auf sich hat.
Frage: Frau Bamberger, haben Sie heute schon Türen geknallt und Leute angebrüllt?
Bamberger: Nein, es ist ja mitten unter der Woche - das mache ich nur am Wochenende in der Kirche (lacht). Aber ernsthaft, ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen, auf unsere Abendgottesdienste zu Gefühlen - da geht es natürlich um Dinge, die man von Kirche kennt und dort auch erwartet, also: Hoffnung, Liebe oder Freude. Zu den Gefühlen gehören aber eben auch schwierige Emotionen wie beispielsweise Wut.
Sie haben also einen Gottesdienst zum Thema Wut gemacht, wie muss man sich das vorstellen?
Bamberger: Klar war jedenfalls von Anfang an, dass es mit einem klassischen Gottesdienst mit Predigt und so nicht funktionieren würde - Wut ist ja etwas, das aus einem herausbricht, das nichts mit Nachdenken oder mit Reflektieren zu tun hat. Deshalb hat unser Gottesdienst-Team Stationen zu Bibelstellen mit Wut aufgebaut. Da konnte man sich mit ganz verschiedenen Wut-Geschichten auseinandersetzen und auch selbst etwas tun...
... indem man eine Spielzeug-Arche in einen Eimer schubst?
Bamberger: Um Sintflut ging es an einer Station auch. Da gab es politische Meldungen, die wütend machen sollten. Mit Wasser konnte man "fluten", wie sehr es einen aufregt. An einer anderen Station sollte man etwas, das man nicht mehr aushält, aufschreiben und mit einem dicken Stift überkritzeln. An einer anderen konnte man Papiertüten mit Worten zerplatzen lassen. Es war also schon auch ein bisschen Alarm und Action im Kirchenraum.
Was haben ihre Gemeindeglieder zu dem Gottesdienst gesagt?
Bamberger: Die Gefühle-Gottesdienste stehen unter der Überschrift "Herzenssachen" und sind Teil unserer Abendgottesdienst-Reihe, die wir immer am ersten und dritten Sonntag eines Monats um 18.30 Uhr feiern. Der Wunsch nach dieser vielleicht ungewöhnlichen Gottesdienst-Uhrzeit kam aus der Gemeinde. Wir haben das vor Corona begonnen und wollen dem Format jetzt mit neuen Ideen noch mal Schwung geben. Da kamen wir im Gottesdienstausschuss auf dieses Thema, das uns drei Hauptamtlichen richtig viel Spaß macht. Spannend war bei diesem Gottesdienst, dass viele es als ganz intensives Gebet empfunden haben, obwohl so viel Bewegung war.
Was bringt Sie denn eigentlich so richtig auf die Palme?
Bamberger: Ich kann schnell wütend werden, aber eher für andere Menschen, weil sie ungerecht behandelt oder ausgegrenzt werden. Ich finde meine Wut aber oft schwierig, ich schlafe also lieber gerne eine Nacht drüber - und dann versuche ich, die Wut in etwas Produktives umzuwandeln, in etwas, das die beklagte Ungerechtigkeit vielleicht beenden kann. Manchmal denke ich, es wäre besser, mehr direkt zuzulassen.
Sie bieten ihre "Wut"-Gottesdienste als Vorlage für andere Gemeinden an. Warum?
Bamberger: Zum einen, weil ich das Konzept wirklich gut finde. Und es muss ja nicht immer jeder überall das Rad neu erfinden. Zum anderen, weil ich Kirche mag, wenn sie sich auf unbequeme Themen einlässt. Da braucht es auch mal andere oder kreative Formate, die Menschen mitnehmen.
Info:
Die Konzepte für die "Herzensangelegenheiten"-Gottesdienste können bei Pfarrerin Anna Bamberger per Mail angefordert werden unter anna.bamberger@elkb.de