epd: Wie haben Sie als Pfarrer von der Ausbildung zum Kaminkehrer profitiert?
Norbert Roth: Als Kaminkehrer habe ich viele Menschen zu Hause besucht. Das genaue Hinhören und Überlegen, was ich in einem Gespräch mit den Menschen sage, habe ich dabei gelernt. Im Predigerseminar haben die anderen Vikare mir erzählt, dass es ihnen schwerfällt, an einer fremden Tür zu klingen. Ich hatte diese Erfahrung schon. Dementsprechend konnte ich viel einfacher auf Menschen zugehen.
Würde Theologen und Theologinnen mehr Kontakt zum Handwerk guttun?
Roth: Ja, überhaupt mehr Kontakt zur Welt, die nicht die akademische ist. Klar haben wir als Studenten alle gejobbt, sei es in der Gastronomie oder in einem anderen Ferienjob. Aber gerade das Wahrnehmen anderer Lebenswelten, zum Beispiel wie Handwerker ihre Lebensherausforderungen meistern, kann eine große Bereicherung sein. In erster Linie müssen wir das Handwerk und seine Kunstfertigkeit schätzen und das auch mal laut aussprechen.
"Aber gerade das Wahrnehmen anderer Lebenswelten, zum Beispiel wie Handwerker ihre Lebensherausforderungen meistern, kann eine große Bereicherung sein"
Was kann Kirche vom Handwerk lernen?
Roth: Die Offenheit, aber auch, dass es so etwas wie einen Kodex gibt. Ich habe das als Kaminkehrer gemerkt. Das ist wie eine große Gemeinschaft. Man hält zusammen, auch wenn man sich nicht persönlich kennt. Kirche als Institution kann die Segmentierung unserer Gesellschaft etwas lösen. Die Tür ist für jeden offen, egal wie reich, wie alt, wie jung, wie schön, wie hässlich, welche Hautfarbe. Das ist ein großer Punkt für die Kirche!