Markus Elsner ist als künstlerischer Fotograf auf der Suche nach Bilderwelten jenseits möglichst realer Abbildungen der Wirklichkeit. Ob in Porträts, Landschaften, Tanz- oder Aktaufnahmen - mit einfachen fotografischen Mitteln schlägt er gern einen Abzweig hin zur Abstraktion ein. Oft greift er noch auf analoge Techniken zurück, etwa die Polaroid-Sofortbildfotografie, und strebt damit eine eigene Bild- und Farbsprache an. Für die hier thematisierte Fotoreihe hat der Grenzgänger zwischen Fotografie, Grafik und vermeintlicher Malerei in kleinem Umfang digitale Bildbearbeitung zugelassen. Wie er das macht und warum eigentlich, das erklärt er im Gespräch.
evangelisch.de: Die Farbgebung Ihrer Foto-Reihen, vor allem "Im Rausch der Farben", geht stark ins Poppige. Was genau sind die Beweggründe dafür?
Markus Elsner: Ich hatte vor der Corona-Pandemie punktuell kräftige Farben in einigen wenigen meiner Fotografien ausprobiert, vor allem in Exponaten der Reihe "Der Tanz". Dafür hatte ich eine professionelle Ballerina zum Tanz im Wasser gebeten und sie dann digital in einen anderen Farbraum fern des lieblichen Blaus des Wassers überführt. Als ich mit dem Corona-Einbruch wie viele andere Künstler mangels Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten über lange Zeit auf mich und mein Homeoffice-Atelier zurückgeworfen war, wollte ich dem einsamen Treiben und der misslichen Lage etwas entgegensetzen und griff die alten Experimente wieder auf.
Dabei war mir schlicht nach Farbe: Ich habe verschiedene Utensilien des Alltags - von Gummiringen, über Tütenverschlüsse, Küchenschwämme bis hin zu Glitzerpapier - zu jeweils eigenen Bild-Objekten arrangiert, fotografiert und dann am Computer mit einer übersteigerten Farbsättigung in die Abstraktion geschickt. Dabei sehe ich mich immer als Fotograf, der nur mit Hilfe eines kleinen digitalen Drehs seinem Heißhunger auf Farbe nachgeht. So ist die Welt trotz Corona-Einschnitten und Nachwirkungen für mich wieder ein wenig bunter geworden.
Zu diesen Reihen gehören auch großformatige Bilder, wo man kaum auf den eigentlichen Ursprung des Motivs kommt. Wie sind diese Bilder entstanden?
Markus Elsner: In der Tat erkennt kaum jemand in Ausstellungen, was ich da eigentlich fotografiert habe - und das ist auch gut so. Viele Betrachter:innen geraten darüber allzu sehr ins Rätseln, was wohl der Ursprung dieses und jenes Bildes sein könnte und was da technisch passiert sein könnte. Aber darum geht es ja eigentlich nicht. Die Bilder "Im Rausch der Farben" sind sehr intuitiv entstanden und sollen weniger den Kopf und mehr den Bauch ansprechen.
"Eine Glasplatte musste her und das Ganze unter einem herrlichen Knacken, Krachen und Knirschen plattdrücken. Und fertig war mein Fotomotiv"
Natürlich erkläre ich dennoch gern mein Tun: Bei den Eierschalen-Fotos gehe ich recht spielerisch vor und platziere Schalenstücke nach Farbe, Größe, Kontrast und Gegensätzen. Als ich auch nach reichlich Änderungen und Skizzen-Fotos erkannte, dass die Wölbungen der Eier meinen Abstraktionsbemühungen zuwiderliefen, musste noch etwas mit dem dreidimensionalen Arrangement geschehen. Spätestens jetzt kommt der Moment, der sicherlich manch Kinderherz höher schlagen lässt: Eine Glasplatte musste her und das Ganze unter einem herrlichen Knacken, Krachen und Knirschen plattdrücken. Und fertig war mein Fotomotiv. Den allerletzten Schliff bekommen die Fotografien dann mit der Überhöhung der Farben und Kontraste.
In Ausstellungsberichten ist zu lesen, dass es auch einen ganz persönlichen Anstoß im Privaten gibt - in der Familie?
Markus Elsner: Ja, das ist so. Das Schicksal meiner Mutter hat mich auf die Idee mit den Eierschalen gebracht: Sie erkrankte in den 2000er Jahren an Demenz und verlor nach und nach ihre Fähigkeiten, den Alltag zu meistern. Dazu zählte auch das Kochen der Frühstückseier für sich und meinen Vater. Als dieser meiner Mutter nicht mehr über die alltäglichen Ausfälle hinweghelfen konnte und auch starb, überspielte meine Mutter wie manch andere Demenzerkrankte geschickt diese Schwäche: Sie entdeckte im Supermarkt hartgekochte Eier, die nicht nur zu Ostern, sondern das ganze Jahr über in schillernden Farben angeboten werden. Die quälende Frage nach dem Frühstücksei war geklärt.
In den Folgejahren, die ich dann die Geschicke meiner Mutter gemanagt habe, gab es viele Mahlzeiten mit bunten Eiern und natürlich reichlich übriggebliebene Eierschalen. Die warfen wir weg, doch bald geriet ich angesichts der Farben vor dem Mülleimer ins Zögern. Als während der Pflegeheimjahre meiner Mutter bei meinen fast täglichen Besuchen stets ein paar bunte hartgekochte Eier zu den Mitbringseln gehörten, begann ich die Schalen zu sammeln, um sie irgendwann einmal, wie auch immer, fotografisch zu nutzen.
Meine Mutter ist dann gleich im ersten Corona-Lockdown mit 90 Jahren im Heim verstorben. Da waren schon auf der Basis der gesammelten Eierschalen ein paar Fotografien entstanden. Es sollten noch ein paar mehr Bilder ind dieser Reihe auch in größeren Formaten werden. Und, wenn ich heute einkaufen gehe und die bunten Eier sehe, muss ich immer an die Vorliebe meiner Mutter denken. Und so landen dann ab und an diese ewige bunten Dinger auch in meinem Einkaufswagen. Und irgendwann später knackt und knirscht es wieder in meinem Atelier...
Anm. d. Redaktion: Markus Elsner ist künstlerischer Fotograf sowie Autor und freier Journalist und arbeitet auch für die Redaktion von evangelisch.de.