Schoch sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Teilnehmenden seien Kommunisten und Pazifisten, frühere Gegner der ständig absurder sich drehenden nuklearen Hochrüstung, Engagierte gegen den russischen Angriffskrieg, junge Menschen sowie "Unbelehrbare" aus der alten Friedensbewegung, wozu auch ein Teil der Kirche gehöre.
Er habe als langjähriger Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) niemals an einem Ostermarsch teilgenommen, betonte der 76-jährige Historiker und Philosoph. Friedensforschung und Friedensbewegung seien zweierlei. "Ich würde mir mehr Solidarität wünschen mit den Überfallenen, mit den Opfern, mit der Ukraine. Dann würde ich mir überlegen, auch mitzulaufen."
Das verbindende Element der Ostermarschierer sei ein Anti-Amerikanismus und eine Anti-Nato-Haltung, sagte Schoch. Er kenne viele Linke, für die es nur einen zentralen Akteur des gesamten Weltgeschehens gebe und die diesen für alles verantwortlich machten, "und das sind die USA". Mit der Nato sei das komplizierter. Es sei zwar richtig, dass sich das westliche Verteidigungsbündnis nach Osten erweitert habe "und dass das für Russland immer ein Problem war". Der Beitritt sei aber auf Drängen der mittel- und osteuropäischen Länder erfolgt, die Nato habe sich dazu eher zögerlich verhalten. Die Ursachen für den Krieg lägen nicht in der Nato-Osterweiterung, sondern vielmehr innerhalb Russlands und seines zunehmend totalitären Systems.
Wenn sich das "Netzwerk Friedenskooperative", das die Ostermärsche koordiniere, Friedensbewegung nenne, sei das eine reine Selbstetikettierung, sagte Schoch. "Ein Teil der Ostermarschbewegung verwaltet das, was sie immer war, deswegen wird sie immer weniger." Dass so wenige Menschen gegen den Ukrainekrieg auf die Straße gehen, habe damit zu tun, dass in der bundesdeutschen Gesellschaft "die Empathie mit den Opfern weniger ausgeprägt ist als das Bedürfnis nach einer moralisch sauberen Haltung". Es gebe vielleicht auch deshalb weniger Proteste, weil der Mainstream für die Solidarität mit der Ukraine sei. "Es fehlt der Aspekt der Opposition."
Der jüngste Vorstoß von Vertretern aus SPD und Gewerkschaften für einen Waffenstillstand krankt nach Ansicht des Friedensforschers an der falschen Alternative "Verhandeln oder Krieg". Es gebe ja regelmäßig Gespräche und auch Verhandlungen etwa über Getreideexporte oder über den Austausch von Gefangenen. Ein "Riesendefizit" der westlichen Politik sei bisher gewesen, dass Länder wie Indien, Indonesien, Brasilien und Südafrika noch nicht dazu gebracht werden konnten, Russlands Aggressionskrieg, der gegen die UN-Weltordnung verstoße, eindeutig zu verurteilen. Vor diesem Hintergrund enthalte der Vorstoß vom Wochenende "ein richtiges Moment".