Sonne, Strand, Meer und Palmen: So stellen sich viele das Paradies vor. Dass der Sehnsuchtsort weder weit weg noch unerreichbar ist, sondern auch im Alltag Platz findet, wollen die Theologen Sarah Köhler und Constantin Gröhn zeigen. "Wir wollen Vorstellungen von einer Welt, die soziale und ökologische Paradiese bietet, zurückgewinnen und neue erarbeiten", sagt Köhler im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Und das soll jenseits von Konsum und Tourismusindustrie sein, erklärt die Referentin der Ökumenischen Arbeitsstelle Anthropozän (Heidelberg). Es gehe weder um eine Art Schlaraffenland noch um Urlaubsparadiese oder angeblich paradiesischen Schlaf durch eine bestimmte Bettenmarke.
Ursprünglich stammt der Begriff des Paradieses aus der Bibel und bedeutet "umzäunter Raum" oder Garten. Daher wird das Paradies im Alten Testament auch als "Garten" Eden bezeichnet, den Gott selbst angelegt hat. Die Menschen in der Antike stellten sich vor, dass sich dieser paradiesische Zustand in der Endzeit wieder einstellen werde.
Die biblischen Vorstellungen seien voller Sehnsucht und Hinweisen auf eine Welt, in der Menschen mitsamt ihren Mitmenschen und ihrem Lebensraum im Gleichgewicht und in Frieden leben, erläutert Köhler. An diese Bilder will sie anknüpfen. Für sie besitzen solche Vorstellungen mehr Kraft als ihr "warenästhetischer Abklatsch".
Es geht um "eine positive Vorstellung von einer Welt, in der wir gern leben wollen", erläutert die Theologin. Köhler und Gröhn sehen in dem Begriff auch eine Alternative zum Ausdruck "Bewahrung der Schöpfung". 2021 haben sie dazu das 44-seitige Konzept "Paradising" entwickelt und fordern zum Mitmachen auf.
Dabei soll es weder um Alarmismus gehen, noch um ein Programm zur Weltrettung, betont der Hamburger Pastor Constantin Gröhn, auch wenn die Wahrnehmung von etwas Unberührtem kaum noch möglich sei. "Angesichts des fortschreitenden Klimawandels, des massiven Verlusts von Biodiversität und einer fragmentierten Gesellschaft brauchen wir neue Zielperspektiven, wie wir leben wollen", fordert er.
Die Sehnsucht nach dem Paradies ist groß
Das Paradies auf Erden sei kein utopischer Ort und auch kein Schlaraffenland oder "exklusiver Ort für wenige", so Gröhn. Paradiese seien bereits vorhanden. Sie müssten nur entdeckt, bewahrt oder auch neu geschaffen werden. Dazu könnten die Menschen aktiv etwas tun, etwa indem sie Umwelt und Klima schützen, sich für Frieden in der Welt engagieren und sich für das Gemeinwesen starkmachen.
Solche Impulse des "Paradising"-Konzepts würden in immer mehr evangelischen und katholischen Kirchengemeinden aufgegriffen, freuen sich die Experten. Gemeinsam mit anderen könnten die ökologischen Komponenten, aber auch Gerechtigkeitsvorstellungen und Friedensvorstellungen, gemeinsam weiterentwickelt werden.
Ein weiterer Punkt ist dem Theologen Gröhn dabei wichtig: Das Vertrauen, dass Paradiese auch ohne eigenes Zutun entstehen können. "Die Schöpfung ist uns gegeben, wir haben sie nicht gemacht", ergänzt Köhler. Denn es gebe auch Grenzen des eigenen Handelns: "Das große Ganze zu erkennen und zu durchdringen, ist nicht Aufgabe von uns Menschen."
Konzeptpapier "Paradising"