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Die klassische weiße Protestantenfamilie, die jahrzehntelang die Mehrzahl der Amerikaner ausmachte, verliert ihre Vormachtstellung in den USA. Andere Merkmale als Religion werden wichtiger.
Das Machtmonopol der weißen Protestanten bröckelt
Lange hatten in den USA weiße Protestanten das Machtmonopol. Doch zur kommenden Präsidentenwahl im November ist das anders. In der gesamten Gesellschaft zeichnet sich ein Wandel ab, denn es gibt immer weniger weiße Protestanten.
01.10.2012
epd
Konrad Ege

In den USA vollzieht sich ein gesellschaftlicher Umbruch: Zum ersten Mal stellen die beiden großen Parteien - Demokraten und Republikaner - weder einen weißen protestantischen Präsidentschaftskandidaten noch einen weißen protestantischen Vizekandidaten auf. Der republikanische Anwärter Mitt Romney ist Mormone, sein Vize Paul Ryan Katholik. Barack Obama ist protestantischer Afro-Amerikaner; Vizepräsident Joe Biden ist ebenfalls Katholik.

Jahrzehntelang hatten in den USA die "white anglo-saxon protestants" - die weißen, angelsächsischen Protestanten, abgekürzt Wasps - das Machtmonopol. Noch nie stand bei den Republikanern ein nicht-protestantischer Kandidat ganz vorne. Die Demokraten zogen bereits 1928 mit einem Katholiken in den Wahlkampf, doch Präsidentschaftsanwärter Al Smith ging böse unter. John F. Kennedy wurde 1961 der erste katholische Präsident, ein Mormone wurde noch nie in das Amt gewählt.

Katholiken gewinnen durch Einwanderung

Die Entwicklung sei bemerkenswert, sagt der Geschichtswissenschaftler Jon Butler von der Yale Universität. Die neue Konstellation beruhige die Wähler offenbar nicht groß, das sei "beeindruckend". Möglicherweise sei man einfach toleranter geworden. Vielleicht ist auch die Auffassung verbreitet, dass es zwischen den Religionen nicht allzu große Unterschiede gibt, vermutet Butler.

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Dem Wandel liegen demografische Veränderungen zugrunde. Der weiße Anteil an der Gesamtbevölkerung ist zwischen 2000 und 2010 von 69,1 auf 63,6 Prozent zurückgegangen. Protestanten machen derzeit die Hälfte der Bevölkerung aus, in den 1970er Jahren lag dieser Anteil jedoch bei mehr als 60 Prozent. Die römisch-katholische Kirche gewinnt wegen der Einwanderung neue Mitglieder hinzu, und immer mehr US-Amerikaner sagen zudem, sie gehörten keiner festen Religionsgruppe an. Rund 16 Prozent der US-Amerikaner haben nach eigenen Angaben "keine Religion".

Der Rückgang der weißen Protestanten zeigt sich auch in anderen Bereichen. Weiße Protestanten stellen zurzeit 57 Prozent der Senatoren und Angeordneten, Anfang der 1960er Jahre waren es 74 Prozent. Im Obersten US-Gerichtshof sitzt erstmals kein Protestant: Sechs der Richterinnen und Richter sind katholischen, drei sind jüdischen Glaubens.

Politische Trennlinien ersetzen die religiösen Unterschiede

Die alten Aufteilungen zwischen Katholiken und Protestanten würden von "neuen Trennlinien" ersetzt, kommentiert der Politikwissenschaftler William Galston im Sender CNN. Die Linien verlaufen zwischen konservativ und liberal. Auf konservativer Seite hat sich eine Koalition evangelikaler Protestanten und traditionalistischer Katholiken zusammengeschlossen.

Unter dem Strich sei der Rückgang der weißen Protestanten freilich problematisch für die Republikaner, erklärt der Historiker Butler. Denn die weißen Protestanten seien der Kern der Partei. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2008 stimmten nach Angaben des Pew-Umfrageinstituts zwei Drittel der weißen Protestanten und 73 Prozent der weißen Evangelikalen für den Republikaner John McCain. 54 Prozent der Katholiken, zwei Drittel der jüdischen Wähler und drei Viertel der Glaubensunabhängigen stimmten für Barack Obama.

Auch der republikanische Senator Lindsey Graham entwarf Ende August in der "Washington Post" ein pessimistisches Szenario: Seine Partei stehe demografisch gesehen nicht gut da: "Wir können nicht genug zornige weiße Männer schaffen, um langfristig im Geschäft zu bleiben."

Der Mormone Mitt Romney hatte es schwer

Für konservative christliche Stammwähler der Partei war die Nominierung des Mormonen Romney nicht leicht zu schlucken. Die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" gilt nicht als christlich. Bei einer Tagung im "Southern Baptist Theological Seminary" in Louisville (Bundesstaat Kentucky) versicherten Redner jedoch jüngst, dass ein Christ für einen Mormonen stimmen könne.

Evangelikale müssten Unterschiede machen zwischen politischen und theologischen Ansichten eines Kandidaten, betont der baptistische Pastor Greg Gilbert im Informationsdienst "Baptist Press". Der baptistische Theologe Russell Moore sagt, Gott habe schon oft Nicht-Gläubige zu "guten Zwecken" genutzt. Ein Präsident sei kein "religiöses Maskottchen".

Ob die Präsidenten der Frühgeschichte der Vereinigten Staaten Protestanten waren, oder gar Christen, gilt als umstritten. Thomas Jefferson (1801-09) und James Madison (1809-17) galten eher als Deisten, die an die Existenz eines Gottes glaubten. Als Ausnahmeerscheinung gilt auch Abraham Lincoln (1861-65). Er sei nicht Mitglied einer Kirche, aber er habe die "Wahrheit der Schrift" nie bezweifelt, sagte Lincoln über sich selber.

Am 3. Oktober stehen sich in der ersten Fernsehdebatte der beiden Kandidaten der afro-amerikanische Protestant Barack Obama und der weiße Mormone Mitt Romney gegenüber.