Die fühlt sich an ihrem Arbeitsplatz als Mobbing-Opfer, weil man ihr eine forsche junge Kollegin vor die Nase gesetzt hat. Die Vermutung erhält Verstärkung, als Anna ausdrücklich untersagt wird, im Todesfall einer Streifenpolizistin zu ermitteln. Die Frau arbeitete allein unter Männern. Angeblich hat sie auf nächtlicher Landstraße eine Kurve verfehlt. Anna ahnt: Da ist was faul, zumal die Tote bei ihrer letzten Autofahrt mit wichtigen Informationen auf dem Weg zu ihr war, doch Annas Chef will die Polizei aus den Schlagzeilen raushalten. Selbst Wilsberg (Leonard Lansink) vermutet, sie projiziere ihre eigenen Erfahrungen auf die tote Beamtin, lässt sich aber trotzdem einspannen. Prompt stellt sich raus: Der Unfall war keiner, und im Revier kursierten heimlich aufgenommene Nacktfotos der Toten. Anna triumphiert, nicht ahnend, dass die Kollegen noch viel mehr Dreck am Stecken haben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Interne Affären" ist ein hübsch doppeldeutiger Titel für diesen Münster-Krimi, der es ohnehin in sich hat. Das liegt sicher nicht allein daran, dass für Buch (Ulli Stephan) und Regie (Catharina Deus) zwei Frauen verantwortlich waren, aber einen gewissen Akzent werden die Damen schon zu verantworten haben. Als ungemein belebend erweist sich beispielsweise der Einfall, der diesmal sehr verletzlichen Anna eine Kollegin an die Seite zu stellen. Statt des üblichen Overbeck, für Wilsberg ohnehin ein rotes Tuch, agiert nun die ungleich ehrgeizigere Carola Sonntag, die den Krimi ungemein belebt; und das nicht allein, weil Wilsberg jetzt was zum Flirten hat. Äußerst schade, dass Katharina Wackernagel bloß ein Gastspiel gibt. Das gilt auch für Comedian Michael Kessler, der Carola Sonntag in einer Minirolle als Streifenpolizist ein Knöllchen verpasst. Mindestens so gut wie die packende Umsetzung ist das komplexe Drehbuch, denn was vordergründig wie Mobbing wirkt, entpuppt sich erst als unglückliche Liebesgeschichte und dann als Fall für die Drogenfahndung. Etwas zu kurz kommt diesmal allein Wilsbergs Kumpel Ekki Talkötter (Oliver Korittke), der dafür nach allzu ausgiebigem Konsum von Haschplätzchen die schönste Szene des Films hat.
Im Anschluss zeigt Neo den 25. Film, der ebenso kurz wie treffend "Jubiläum" heißt. Allerdings spielt die Geschichte ausnahmsweise nicht in Münster: In einem Hotel vor der Stadt trifft sich Wilsbergs einstige Abiturklasse, und weil sich der schon vor Jahrzehnten gemobbte Bernhard (Uwe Rohde) am Abend mit allen anlegt, ist auch klar, wer die Nacht nicht überleben wird. Verdächtig ist jeder, erst recht jedoch der arrogante Mario (Peter Sattmann), dem Bernhard einst die Buchführung fälschte, was Mario ihm nie gedankt hat; ganz zu schweigen von zwei Schlägern, die Bernhard im Auftrag ihres Chefs auf die Pelle gerückt sind. Die Sache hat nur einen Haken: Als die Polizei in Gestalt von Anna Springer am Tatort eintrifft, ist die Leiche verschwunden. Dafür nistet sich Anna kurzerhand bei Wilsberg ein, in dessen Hotelbett aber auch schon Ekki schläft.
Stefan Rogall hat in guter "Wilsberg"-Tradition eine wunderbare Mischung aus Krimi und Komödie geschrieben. Die Dialoge grenzen zuweilen an die Qualität der Klassiker von Ernst Lubitsch oder Billy Wilder; gerade die Bosheiten zwischen Anna und Wilsberg sind von einer mitunter fast schon dreisten Doppelbödigkeit. Und weil in den "Wilsberg"-Filmen auch die Mitstreiter des schrulligen Privatdetektivs zur Geltung kommen sollen, haben Ekki und Wilsbergs einstiges Mündel Alex (Ina Paule Klink) ebenfalls ihre Auftritte.
Damit sind auch zwei der drei Zutaten genannt, die laut Lansink das Erfolgsgeheimnis der Reihe ausmachen: das ausgezeichnete Ensemble sowie die Ausgewogenheit von Spannung und Humor. Als dritten Aspekt nennt der 1956 in Hamm (Westfalen) geborene Schauspieler die Familientauglichkeit: "Bei uns gibt es grundsätzlich keine grausamen Szenen, hier spritzt kein Hirn. Die Opfer sind immer schon tot, wenn Wilsberg sie findet. Das können sich auch Zehnjährige anschauen." In Münster ist Wilsberg eine Art Volksheld. Jede neue Folge wird hier uraufgeführt, und wenn Lansink privat in der Stadt unterwegs ist, bleibt das nicht ohne Aufsehen. Dass ihn die Menschen aufgeregt mit "Herr Wilsberg" anreden, sieht er gelassen: "Die Leute haben nun mal ein besseres Gedächtnis für Gesichter als für Namen." Für die 25. Folge wurde er 2008 mit der Silbernen Rathausgedenkmünze geehrt. Am Samstag zeigt das ZDF die 78. Episode. Ob Lansink mittlerweile auch eine Platinmünze bekommen hat, ist nicht überliefert.