Die Familiensaga nach dem Wirtschaftswunderroman von Peter Prange erzählte eine fesselnde epische Geschichte von Liebe, Schmerz, Rache und Verrat. Weil Erfolge nach Wiederholung streben, gibt es nun eine Fortsetzung, die sich allerdings in vielerlei Hinsicht erheblich von der ersten Produktion unterscheidet; und das gereicht ihr nicht zum Vorteil. Teil zwei ist viel stärker als Serie konzipiert und daher sehr episodisch strukturiert. Die Dramaturgie ist jedoch bei weitem nicht das größte Manko: Die schauspielerische Qualität hat erheblich nachgelassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dreh- und Angelpunkt der in den späten Sechzigerjahren angesiedelten Handlung ist nun Christel Wolf, die das Erbe ihres Mannes angetreten hat und die Metallwerke Altena im Sauerland mit eiserner Disziplin und nach dem Motto "Generationen kommen und gehen – das Werk bleibt" führt. Katja Riemann setzt das Spielmaterial, das ihr die Rolle der an Leib und Seele versehrten hartherzigen Patriarchin bietet, derart konsequent um, dass die Gefühlsausbrüche in der zweiten Hälfte mehr als bloß ein Kontrast sind. Zentrale Figur der Geschichte ist zunächst jedoch Christels Enkel, den Damian Hardung allzu sehr als Klischee eines zornigen Halbstarken verkörpert: Die Großmutter will Winne zu ihrem Nachfolger aufbauen, doch er sieht seine Aufgabe in erster Linie im Klassenkampf; den Gastarbeitern fühlt er sich weitaus näher als der eigenen Familie, deren lautstarkes Schweigen ohnehin zur Folge hat, dass Konflikte ständig unter den Teppich gekehrt werden. Der junge Schauspieler gehörte zum Ensemble der preisgekrönten Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" und war herausragend in Jan Ruzickas Frauenfreundschafts-Hommage "Freundinnen – Alle für eine" (2017, ARD). Dass er als Enkel mit Revoluzzer-Attitüde nicht an diese Leistung anknüpft, hat womöglich mehr mit der Darstellerführung als mit ihm selbst zu tun: Einige der etablierten männlichen Mitwirkenden schießen ebenfalls weit übers Ziel hinaus.
Das Team hinter der Kamera ist ohnehin ein anderes. Regie führte nun Mira Thiel, die auch als Leiterin des Drehbuchquintetts fungierte. Zu ihren bisherigen Arbeiten gehört unter anderem die unterhaltsame musikalische Liebesgeschichte "Song für Mia" (2019, ARD) sowie der nicht minder sehenswerte letzte "Tatort" aus Weimar ("Der feine Geist", 2021); ihr Kinofilm "Gut zu Vögeln" (2015) bewegte sich dagegen auf exakt jenem Niveau, das der Titel nahelegte. Ähnlich wechselhaft ist "Unsere wunderbaren Jahre": Manche Szenen sind großes Fernsehen, andere wirken fast peinlich.
Wie schon die erste Staffel oder wie zuletzt die ungleich gelungenere Fünfzigerjahre-Serie "Bonn – Alte Freunde, neue Feinde" (2023, ARD) soll die Handlung gleichermaßen Familiensaga und Sittengemälde sein, beides natürlich mit viel Zeitkolorit gewürzt. Das ist im Prinzip gelungen, selbst wenn der Schwerpunkt vor allem auf dem Drama liegt: Christels Tochter Margot (Anna-Maria Mühe) gibt sich genauso hartleibig wie ihre Mutter, ihre Schwester Gundel (Vanessa Loibl) flüchtet aus Ehe und Mutterschaft in eine Kommune nach Köln.
Abgesehen von kurzen Gastauftritten überhaupt nicht mehr präsent ist die Dritte im Bunde, Ulla (Elisa Schlott), die gemeinsam mit Arbeiterführer Tommy (David Schütter) in die DDR übergesiedelt ist; damit fehlen der Fortsetzung ausgerechnet jene Ensemblemitglieder, die großen Anteil daran hatten, dass der erste Teil einer der Höhepunkte des Programmjahres war. Stärker in den Mittelpunkt rückt nun Margots aus Argentinien heimgekehrter Ex-Mann (Hans-Jochen Wagner). Walter Böcker hat als Mündel eine attraktive junge Frau mitgebracht, in die sich Winne prompt verliebt; die Italienerin Rocio Luz ist bei ihrem deutschen TV-Debüt die Entdeckung der Serie. Zu einer weiteren wichtigen Figur wird der SPD-Bürgermeister Vielhaber, den Ludwig Trepte stellenweise unnötig übertrieben als Karikatur eines Lokalpolitikers anlegt.
Über sich hinaus weist "Unsere wunderbaren Jahre 2" immer dann, wenn die Zeitläufte beiläufig und daher elegant in die Familiengeschichte integriert sind, etwa bei der Diskriminierung der Gastarbeiter als Menschen zweiter Klasse. Nicht fehlen dürften natürlich auch die Reaktionen der Alt-Faschisten auf die durch eine langhaarige Jugend vorangetriebenen gesellschaftlichen Umbrüche: Sprüche wie "Früher hätte man solche Subjekte vergast" hat es bis in die Siebziger gegeben. Interessanterweise hat Thiel darauf verzichtet, das Zeitgefühl durch die Hits jener Jahre zu beschwören; stattdessen erklingt Musik (Tim Neuhaus), die sich nur so anhört, als sei sie damals entstanden. Ärgerlich, aber kein Einzelfall ist die gelegentliche Verwendung sprachlicher Modernismen ("alles gut"); das mag wie eine Petitesse klingen, ist letztlich aber ähnlich schlampig, wie es ein gravierender Fehler im Szenenbild wäre. Pranges Roman endet mit dem Abschied von der D-Mark; die überraschungsreiche letzte Episode liefert gleich mehrere Vorlagen für eine dritte Staffel. Das "Erste" zeigt die Serie heute, am 15. sowie am 22. März in Doppelfolgen, sie steht bereits komplett in der ARD-Mediathek.