Kaum hatte der Kartenvorverkauf begonnen, folgte auch schon der Boykottaufruf: Seit 20 Jahren präsentieren die Regensburger Schlossfestspiele internationale Stars der Klassik- und Popmusikszene. Doch der Veranstaltungsort, das fürstliche Schloss, ist im Besitz der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die offen radikale Meinungen vertritt.
Sie verharmloste die Misshandlungen und den Missbrauch durch katholische Geistliche bei den "Regensburger Domspatzen", hält Homo-Ehen für ein Werk des Teufels und hofiert Autokraten wie Viktor Orban, zu dessen Ehren bei den Festspielen die ungarische Nationalhymne gespielt wurde. Im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Aids in Afrika sprach Gloria von Thurn und Taxis von einem angeblich ausschweifenden Sexualleben der Afrikaner.
Dem Bündnis "Solidarische Stadt Regensburg" stößt sauer auf, dass sich die Schlosseigentümerin und Schirmherrin der Veranstaltung "am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums" befindet. Auch in diesem Jahr verschickte es einen Boykottaufruf an alle Künstler:innen, darunter der Tenor Jonas Kaufmann, die US-Sopranistin Rachel Willis-Sørensen, die britische Pop-Band Simply Red, die amerikanische Band Earth, Wind and Fire, der italienische Sänger Eros Ramazzotti und die Hofer Symphoniker, um nur einige der Künstler zu nennen, die zwischen dem 14. und 23. Juli in Regensburg auftreten sollen.
In dem Schreiben werden die Musik-Stars gebeten, "Abstand von einer Aufführung zu nehmen und nicht die äußerst bedenklichen Positionen von Frau von Thurn und Taxis zu übernehmen". Weil die Kunstschaffenden womöglich vertraglich gebunden seien, werden sie aufgefordert, sich zumindest "klar und öffentlich zu distanzieren".
Band Revolverheld hatte sich distanziert
Eine derartige Reaktion ist bislang ausschließlich von der Band Revolverheld bekannt. Bei ihrem Konzert im Jahr 2019 distanzierte sich Lead-Sänger Johannes Strate während des Auftritts mit den Worten: "Wir spielen hier auf dem Grund einer Frau, mit deren Werten wir überhaupt nicht übereinstimmen." Nächstenliebe bedeute, sagte der Frontmann weiter, dass Menschen egal welcher Herkunft, Hautfarbe und Religion in Deutschland mit offenen Armen aufgenommen würden und "wir sie nicht elendig im Mittelmeer verrecken lassen".
Diese Aussagen sollen laut Revolverheld "mit tosendem Applaus" vom Publikum aufgenommen worden sein. Die Band spendete ihre komplette Gage der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye, die mit ihren Schiffen seit 2015 nach eigenen Angaben mehr als 17.000 Menschen im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet hat.
Fürstin Gloria vermietet das im Familienbesitz befindliche Schloss seit dem Jahr 2003 für die Aufführungszeit im Juli an die Firma Odeon Concerte des Regensburger Eventmanagers Reinhard Söll. Dieser reagierte dezidiert amüsiert auf den neuerlichen Boykottaufruf. "Da lache ich drüber", sagt er. Die Boykottaufrufe gebe es seit Jahren, der Aufrufer sei ein "bekannter Linksradikaler, der einen Hass gegen die Fürstin" habe.
Die bedenklichen Äußerungen der Fürstin mit einer Privatfehde abtun, das will Söll indes auch nicht. "Vieles, was die Fürstin vertritt, ist nicht meine Meinung", sagt er, "aber es ist auch nicht meine Aufgabe, da Stellung zu beziehen. Ich mache das Festival aus künstlerischen Gründen." Absagen von Künstlern, und seien es auch noch so große Weltstars, habe es deswegen nicht gegeben, "auch wenn dies behauptet wird".
Seit 2003 kämen jährlich, mit Ausnahme zweier Pandemiejahre, bis zu 30.000 Konzertbesucher zu den Schlossfestspielen, betont Söll. Ein wesentlicher Grund für die Attraktivität sei auch die Location, die malerische Schlosskulisse. In Regensburg gebe es nichts Vergleichbares. Seit Jahren versucht die Stadtspitze, eine Konzerthalle zu realisieren. Zweimal wurden die Pläne bereits von Bürgerentscheiden gekippt.
Zur Festspielzeit taucht auch die Fürstin selbst immer wieder bei den Konzerten auf. "Sie ist durchaus populär", sagt Söll. Die Festspielbesucher freuten sich, wenn sie sie auf oder vor der Bühne sähen. "Angenommen, die Fürstin würde nicht zu den Festspielen kommen, sie würde sehr vermisst werden", erläutert der Konzertveranstalter.