Kardinal Friedrich Wetter, der von 1982 bis 2007 als Nachfolger Joseph Ratzingers Erzbischof von München und Freising war, wies zugleich die Darstellung in dem am 20.1. veröffentlichten Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zurück, er habe sich in 21 Fällen falsch verhalten: "Meine Darstellung der Fakten" komme "zu einem anderen Ergebnis", heißt es in einer am 25.1. veröffentlichten Stellungnahme.
Vor allem nimmt Wetter Bezug auf den Fall des Essener Priesters H., in den laut Gutachten auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. verstrickt ist. Dieser Fall ist laut Kardinal Wetter "auch im Verhältnis zu anderen besonders gravierend". Die Entscheidung, H. unter strenger Aufsicht in eine Pfarrgemeinde nach Garching an der Alz zu schicken, "war ohne Zweifel objektiv falsch".
Wetter räumte zudem ein, eine "ernsthafte und eingehende Auseinandersetzung" mit dem Thema Kindesmissbrauch und den Folgen für Betroffene habe es bei ihm bis zur Veröffentlichung des ersten Missbrauchsgutachtens 2010 nicht gegeben.
Natürlich sei auch in den 1980er und 1990er Jahren sexueller Missbrauch von Kindern strafbar und moralisch inakzeptabel gewesen. "Ehrlicherweise muss ich allerdings sagen, dass ich vor 2010 nicht genügend Wissen hatte und mein Problembewusstsein nicht genügend ausgebildet war." Dies sei damals "bei vielen in der Gesellschaft" und nicht nur in der Kirche so gewesen. Dies mache sein "unangemessenes und objektiv falsches Verhalten" allerdings nicht besser, schreibt Wetter.
"Auch wenn es schmerzhaft ist"
Er sei "zumindest im Fall H." seiner Verantwortung als Erzbischof von München und Freising "zum Schutz der Kinder und Jugendlichen nicht in dem notwendigen Maß gerecht geworden". Dies erfülle ihn "mit Scham und Trauer", so Wetter. In seiner Stellungnahme geht er auf die ihm angelasteten 21 Fälle des Fehlverhaltens ein. In sechs dieser Fälle habe "kein Missbrauch" vorgelegen, in acht Fällen habe sich der Missbrauch nicht in seiner Amtszeit oder nicht in seinem Amtsbereich zugetragen.
Die 27 katholischen Diözesanbischöfe in Deutschland wollen die Aufarbeitung eigener Schuld an der Vertuschung von Missbrauchstaten in der Kirche fortsetzen. "Verbrechen und mangelnde Verantwortung werden aufgeklärt, auch wenn der Prozess schmerzhaft ist", heißt es in einer Erklärung des Ständigen Rates der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, die in Bonn veröffentlicht wurde. Der Ständige Rat ist die Versammlung der leitenden Bischöfe aus den 27 katholischen Bistümern in Deutschland. Der Rat hatte am 25.1. in Würzburg getagt.
Zusammenarbeit mit Bundesregierung
Um der Wahrheit Willen sei es notwendig, dass "wir Bischöfe uns der Verantwortung stellen, die uns und unsere Vorgänger im Wesentlichen alle gleich betrifft", heißt es in der Erklärung. Es brauche einen umfassenden kirchlichen Kulturwandel. "Wir spüren den erheblichen Vertrauensverlust und verstehen das große Misstrauen, das uns Bischöfen aus der Gesellschaft und von den Gläubigen entgegengebracht wird", schreiben die Bischöfe. "Die Aufarbeitung der eigenen Schuld - unabhängig und frei von falschen Rücksichten - setzen wir kontinuierlich fort und ziehen die systemischen Konsequenzen, um solche Verbrechen zu verhindern."
Die Bischöfe verwiesen auf die Leitlinien der Bischofskonferenz zur Bekämpfung des Missbrauchs, Präventions- und Interventionsarbeit, die international anerkannte Standards erreichten. Sie sprachen auch von einer "engen und guten Zusammenarbeit" mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig.
Ein wesentlicher Baustein der Erneuerung sei der katholische Reformprozess Synodaler Weg, der 2019 mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken ins Leben gerufen wurde. Er helfe, Möglichkeiten zu finden, systemische Ursachen von Missbrauch künftig auch durch strukturelle Veränderungen zu verhindern, so die Bischöfe. Die nächste Synodalversammlung findet vom 3. bis 5. Februar in Frankfurt am Main statt.