Bund und Länder suchen nach Wegen zur Entkriminalisierung des sogenannten Containerns. Vor den Beratungen am 14. Februar bleibt aber unklar, ob die Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren künftig vorsehen, dass die Behörden Verfahren wegen Diebstahls weggeworfener Lebensmittel in der Regel einstellen.
Zwar unterstützen zahlreiche Bundesländer einen entsprechenden Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne). Die notwendige Einstimmigkeit ist aber ungewiss, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes bei den Justizministerien der Länder ergab. Einige Länder brachten eine Änderung des Strafgesetzbuches ins Gespräch, für die der Bund zuständig wäre.
Am Dienstag beraten Vertreter des Bundesjustizministeriums und der Landesjustizverwaltungen. Den Vorsitz in dem Bund-Länder-Ausschuss hat Hessen. Ressortchef Roman Poseck (CDU) sagte, mögliche Beschlüsse dürften kein Schnellschuss sein, da sie auch grundsätzliche Fragen des Strafrechts und des Strafverfahrens berührten.
Der Vorschlag Buschmanns und Özdemirs greift einen Vorstoß Hamburgs auf. Wer noch ess- oder trinkbare Lebensmittel aus Müllcontainern heraussucht, soll dafür nicht mehr belangt werden, wenn die Umstände das im Einzelfall zulassen. Falls beim Containern andere Straftaten begangen wie Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch begangen werden, ist weiterhin eine Strafverfolgung vorgesehen.
Breite Diskussion erwartet
Nach Auskunft mehrerer Bundesländer stellen Staatsanwaltschaften bereits heute Verfahren wegen Containerns häufig ein. Bundeseinheitlicher Vorgaben bedürfe es nicht, erklärte das schleswig-holsteinische Justizministerium. Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) erklärte, aus ihrer Sicht sollte grundlegend diskutiert werden, ob der Diebstahl weggeworfener Lebensmittel überhaupt strafbar sein sollte.
Ihre Amtskollegin Jacqueline Bernhardt (Linke) aus Mecklenburg-Vorpommern argumentierte ähnlich: "Für mich bleibt wichtig, Containern unter gewissen Voraussetzungen nicht mehr unter Strafe zu stellen. Das werden wir in den nächsten Wochen bundesweit zu diskutieren haben." Auch eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Justizministeriums deutete an, dass man sich eine Änderung im Strafrecht vorstellen könnte: "Der Bundesjustizminister möchte im Bundesrecht offenbar keine Änderungen vornehmen." Deshalb sei der Vorschlag aus Hamburg interessant und werde geprüft.
"Gute Gründe" für Straflosigkeit
Bundesjustizminister Buschmann sagte dem epd, neben dem Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung könnten die geänderten Richtlinien auch zu einer Entlastung der Justiz beitragen. "Es wäre daher ein gutes Zeichen, wenn die Länder unserem Vorschlag zustimmen würden", sagte er.
Das hessische Justizministerium erläuterte, die formalen Voraussetzungen des Diebstahls seien in der Regel beim Containern erfüllt. Es bestünden aber "berechtigte Zweifel, ob wirklich ein strafwürdiges Verhalten vorliegt". Für eine Straflosigkeit des Diebstahls gebe es in solchen Fällen gute Gründe. Der Eigentümer bringe durch das Wegwerfen der Lebensmittel deutlich zum Ausdruck, diese selbst nicht mehr haben zu wollen. "Anders als in anderen Diebstahlskonstellationen will er die Sache gerade nicht zurück", hieß es.
Zahlen des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zufolge landen in Deutschland jährlich rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Der größte Anteil (59 Prozent) stamme aus Privathaushalten, weitere 17 Prozent aus Restaurants und Kantinen. 15 Prozent fielen bei der Verarbeitung an, 7 Prozent im Handel und 2 Prozent in der Landwirtschaft.
Über das Containern liegen keine Statistiken bei Polizei oder Justiz vor. Nicht nur Bedürftige versorgen sich auf diesem Weg mit Essen. Sogenannte Lebensmittelretter machen mit dem Diebstahl weggeworfener Nahrungsmittel immer wieder auf die Verschwendung aufmerksam. Sie fordern ein Essen-Retten-Gesetz nach französischem Vorbild, das Supermärkte verpflichtet, Essen zu spenden.