Die katholische Kirche hat seit 2021 rund 32,9 Millionen Euro Anerkennungsleistungen an Betroffene von sexuellem Missbrauch ausgezahlt. Das geht aus dem am Freitag in Bonn vorgestellten Tätigkeitsbericht der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen für das Jahr 2022 hervor. Demnach hat sich die Summe im Vergleich zu 2021 (9,4 Millionen Euro) mehr als verdoppelt. Die Kommission hat den Angaben zufolge seit Beginn ihrer Arbeit im Januar 2021 2.112 Anträge erhalten, 1.839 wurden bis zum 31.12. 2022 entschieden.
Im Jahr 2022 wurden laut Tätigkeitsbericht rund 23,5 Millionen Euro Anerkennungsleistungen an Betroffene gezahlt. Die Kommission erhielt laut Bericht zwar deutlich weniger Anträge, nämlich 547, als im ersten Jahr ihres Bestehens. Doch durch Überhänge aus dem Jahr 2021 verdoppelte sich die Zahl der entschiedenen Anträge im Vergleich zu 2021 auf 1.203 (2021: 606).
Möglich gewesen sei die Verdoppelung der bearbeiteten Anträge im Vergleich zum Vorjahr durch eine Erweiterung der Kommission von sieben auf elf Mitglieder und durch eine erhöhte Sitzungsfrequenz, sagte die Vorsitzende Margarete Reske. Die ehemalige Kölner Richterin erwartet für 2023 zwar eine abnehmende Zahl an zu bearbeitenden Erstanträgen, doch werde derzeit geprüft, ob das Verfahren für Anerkennungsleistungen auch auf andere katholische Träger ausgeweitet werde. Zugleich gebe es ab dem 1. März ein Widerspruchsrecht für Betroffene gegen Entscheidungen der Kommission. Welcher Arbeitsaufwand für die Kommission dadurch anfalle, sei derzeit noch nicht abzusehen.
In 1.809 Fällen setzte die Kommission eine Leistungshöhe fest, wie aus dem Bericht hervorgeht. Da in die Summe der Anerkennungsleistungen auch Zahlungen aus früheren Verfahren eingerechnet werden, lag die Gesamtsumme der zuerkannten Leistungen bei rund 40,1 Millionen Euro. Für das Jahr 2022 ergibt sich eine Summe von 27,2 Millionen Euro.
Die Anerkennungsleistungen liegen mehrheitlich zwischen 1.000 und 50.000 Euro. 143 Mal wurden seit 2021 auch Leistungen über 50.000 Euro festgesetzt, darunter im Jahr 2022 in 96 Fällen. In 18 Fällen wurden im vergangenen Jahr Summen über 100.000 Euro ausgezahlt. Seit 2021 war das insgesamt 24 Mal der Fall. Leistungen über 50.000 Euro können nur mit Zustimmung der kirchlichen Institutionen ausgezahlt werden, wie Reske sagte.
Besonders viele Betroffene im Bistum Münster
Besonders viele Betroffene meldeten sich im Bistum Münster. Dort wurden im vergangenenen Jahr 139 Anträge entschieden und insgesamt eine Summe von rund 3,5 Millionen Euro festgesetzt. Laut dem Interventionsbeauftragten des Bistums, Peter Frings, wurden in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 299 Anträge auf Zahlungen zur Anerkennung des Leids gestellt. Der höchste bewilligte Betrag habe bei 160.000 Euro gelegen. Neben den Anerkennungszahlen bemühe sich das Bistum Münster Betroffene unter anderem durch die Zahlung von Therapiekosten und Härtefallregelungen zusätzlich zu unterstützen, erklärte Frings am Freitag in Münster.
Auch die Bistümer Freiburg und Essen liegen in der Rangfolge der Anerkennungszahlungen für 2022 mit vorn. In Freiburg lag die Zahl der Anträge bei 85, die ausgezahlten Anerkennungsleistungen bei 1,8 Millionen Euro. 61 Anträge wurden für das Bistum Essen gezählt, hier lag die Zahlungshöhe 2022 insgesamt bei 1,4 Millionen Euro.
Margarete Reske erläuterte, dass die Zahl der Anträge und die Höhe der Summen keinen genauen Rückschluss auf die Gesamtzahl der Missbrauchsfälle zulasse, jedoch könne die unterschiedlich hohe Zahl der Anträge unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass einige Bistümer stärker als andere Betroffene aufriefen, sich zu melden.
Über das reine Zahlenwerk hinaus biete der Tätigkeitsbericht auch Erkenntnisse über die Missbrauchstaten und -opfer. So seien insgesamt etwa drei Viertel der Betroffenen, über deren Anträge entschieden wurde, Männer. Doch zeige sich, dass bei besonders schweren Fällen mit Anerkennungsleistungen über 50.000 Euro ein hoher Frauenanteil vorliege. Bei Zahlungen über 100.000 Euro seien es sogar in 83 Prozent der Fälle weibliche Betroffene. Die Mehrheit der Taten sei in den 1960er und 70er Jahren erfolgt, in der Mehrheit der Fälle habe Missbrauch über mehrere Jahre stattgefunden. Die Kinder seien bei der ersten Tat meist zwischen 10 und 12 Jahre alt gewesen.