Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich verstärkt gegen Antiziganismus engagieren. Im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes für die 500.000 in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma im Berliner Dom hat der Rat der EKD am Sonntag eine Erklärung zur Bekämpfung von Antiziganismus und zur Zusammenarbeit mit Sinti und Roma abgeben.
Darin heißt es unter anderem, "gemeinsam mit Angehörigen der Minderheit von Sinti und Roma wollen wir der Diskriminierung im Alltag von Kirche und Gesellschaft und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit insgesamt entgegenwirken". Dazu bedürfe es der Auseinandersetzung mit der bis in die Gegenwart reichenden Schuldgeschichte der Kirchen und der kritischen Überprüfung von theologischen und kirchlichen Denkmustern und Prägungen.
Konkret will sich die EKD unter anderem in Projekten im Bildungsbereich gegen antiziganistische Zerrbilder und für eine inklusive Praxis einsetzen. Dazu soll die Kooperation mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und dem Netzwerk "Sinti, Roma, Kirchen" ausgebaut werden. Zudem verspricht die Evangelische Kirche die institutionelle Partizipation von Sinti und Roma in Politik und Gesellschaft nach Kräften zu unterstützen.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus betonte, die Evangelische Kirche habe an vielen Stellen in der Geschichte Schuld auf sich geladen. "Sie war daran beteiligt, Menschen zu verraten und der Verfolgung und Vernichtung auszuliefern", sagte die westfälische Präses. Auch in der Kirche seien antiziganistische Stereotypen unreflektiert weitergetragen und Menschen dadurch erneut und fortwährend in ihrer Würde verletzt worden: "Es ist wichtig, dass wir uns mit dieser bis in die Gegenwart reichenden Schuldgeschichte der Kirchen auseinandersetzen."
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sprach von einer historischen Erklärung. "Die Evangelische Kirche bekennt sich darin erstmalig in dieser offiziellen Form vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zu ihrer Verantwortung auch für unsere Minderheit", sagte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose. Die Kirche setze damit ein starkes Zeichen, um den seit Jahrhunderten tief in der deutschen Gesellschaft verankerten Antiziganismus zu ächten.
Die Erklärung basiert den Angaben zufolge auf der Arbeitsdefinition von Antiziganismus der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA). Übergeben wurde sie nach dem Gedenkgottesdienst von der EKD-Bevollmächtigten bei Bundesregierung und EU, Prälatin Anne Gidion, an den Zentralratsvorsitzenden Rose und die Vorsitzende des Landesrats der Roma und Sinti Berlin-Brandenburg, Dotschy Reinhardt.
Mit der Annahme der IHRA-Definition sei ein weiterer Schritt getan, "und es soll nicht der letzte sein", betonte Gidion. Laut Berliner Domgemeinde gab es 2020 und 2022 im Berliner Dom die ersten deutschlandweiten Gedenkgottesdienste für die ermordeten Sinti und Roma. Am Holocaust-Gedenktag am Freitag hatte auch das Bundeskriminalamt (BKA) eine Zusammenarbeit mit dem Zentralrat vereinbart. Grundlage ist ebenfalls die IHRA-Definition.