Wie das Bundesamt für Justiz in Bonn dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte, sind bis Ende vergangenen Jahres 346 Anträge eingegangen. Das waren gerade einmal elf mehr als im Sommer 2022, als der Bundestag die Frist bis Juli 2027 verlängerte, um mehr Betroffenen Rehabilitierung und Entschädigung zu ermöglichen. 261 Anträge seien bislang positiv beschieden worden.
Eine Steigerung der Antragszahl sei nach Verlängerung der Frist nicht festgestellt worden, teilte das Bundesamt mit. Bis Ende Dezember wurden nach dessen Angaben insgesamt 900.000 Euro an Entschädigungsleistungen ausgezahlt. Im Sommer lag die Summe bei 885.500 Euro. Homosexuelle, die nach 1945 wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verurteilt wurden, können eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro erhalten, wenn das Urteil aufgehoben wird. Haftstrafen werden mit 1.500 Euro pro Jahr entschädigt.
Laut einem Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer auf Grundlage des damaligen Verbots sexueller Handlungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts verurteilt. Das Gesetz wurde danach leicht abgemildert, abgeschafft wurde der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch aber erst 1994.
2017 beschloss der Bundestag, die Urteile aus der Zeit der Bundesrepublik aufzuheben und die Opfer zu entschädigen. Eine Entschädigung können auch diejenigen erhalten, die nicht verurteilt wurden, aber beispielsweise durch Untersuchungshaft oder negative Auswirkungen eines Ermittlungsverfahrens Opfer der Strafnorm wurden.
Der Paragraf 175 galt seit dem Kaiserreich. Die Nationalsozialisten verschärften ihn und machten ihn so zur Grundlage von Verfolgung und Deportation Homosexueller. Dass die Norm nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt noch den Weg ins Strafgesetzbuch fand, wird durch den Bundestagsbeschluss von 2017 heute als Unrecht bewertet. Die homosexuellen Opfer des NS-Regimes wurden 2002 rehabilitiert.