Einige hundert Meter vom Notarzt-Einsatzfahrzeug entfernt liegt ein verunglückter Motorradfahrer. Seine Oberschenkel sind gebrochen, um ihn herum eine Blutlache. Aus der Ferne ertönen lauter werdende Propellergeräusche eines Helikopters und die Sirenen eines Rettungswagens. Es sind Szenen wie diese, die sich in das Gedächtnis des Notfallsanitäters Patrick Krieger eingebrannt haben. "Der Mann hatte mit sehr hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Motorrad verloren, durchbrach einen massiven Holzzaun, überschlug sich mehrmals", erinnert er sich. Ersthelfer reanimierten bereits, als Patrick Krieger am Unfallort eintraf.
"Es gab Anzeichen für innere Blutungen und ein Schädelhirntrauma", sagt der 36-Jährige. Sein Team versorgte den Patienten, bis dieser mit dem Helikopter in eine Klinik transportiert wurde.
"Während man in diesem Trümmerfeld die Spuren des Unfalls beseitigt, macht man sich Gedanken", sagt der Bochumer, der seit mehr als zehn Jahren im Rettungsdienst ist. "Habe ich alles richtig gemacht? Überlebt der Patient?" Während hinter ihm gerade eine Lache aus Blut gerinnt, fragt die Eigentümerin des durchbrochenen Zaunes: "Wer bezahlt mir den jetzt?" Der Motorradfahrer starb später im Operationssaal.
Oft erschüttere den Notfallsanitäter das menschliche Verhalten. "Da gibt es Schaulustige, die einem den Einsatz erschweren. Menschen ohne jeglichen Anstand oder Empathie", sagt Krieger.
"Der Umgang mit solchen Situationen wird kaum gelehrt", beklagt der Notfallsanitäter. "Das Traumatische sind die Schicksale, die man damit verbindet. Eltern, die Kinder verlieren, und Kinder, die Eltern verlieren. Wenn jemand geht, dann geht die Person selten für sich allein."
Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe berichtet jeder siebte Beschäftigte im Rettungsdienst von eigenen Depressionen. Krieger fordert: "Die Arbeitszeiten müssten reduziert werden." Zudem müsse es verpflichtende und spezialisierte Therapieangebote für die Einsatzkräfte geben. Sein Appell: "Rettet die, die Euch im Notfall retten!"
Die Psychologin Alena Knabe, die sich im "Forum für psychische Gesundheit im deutschen Rettungsdienst (Rupert)" engagiert, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wir empfehlen psychisch belasteten Einsatzkräften zunächst den Gang zum Hausarzt." Was helfe, sei "reden, reden, reden. Sich bei psychischen Problemen Hilfe zu suchen, hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern ist ein Akt der Stärke."
Bei "Rupert" können sich Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter zum Thema psychische Gesundheit im Rettungsdienst informieren und sich außerdem anonym austauschen. Knabe zeigt sich überwältigt vom Zuspruch. "Obwohl wir erst im September gestartet sind, erhalten wir eine riesige Welle des Dankes und viele Mails von Betroffenen, besonders von Männern", sagt sie.
Der Düsseldorfer Notfallsanitäter Mats Muckel hält drei Maßnahmen für zentral: "Eine gute Prävention, Reduktion der Arbeitsbelastung und bessere Nachsorge und Betreuung." Der 35-Jährige empfindet vor allem die andauernde Konfrontation mit sozialem Elend als sehr belastend. "Besonders in der Großstadtrettung gibt es viele alte oder kranke Menschen, die niemanden haben und völlig verwahrlosen."
In Erinnerung geblieben sei ihm ein freundlicher, alter Herr, der nur noch kriechen konnte. "Wir trafen ihn in einer völlig verfallenen Wohnung an. Neben dem Sessel stand ein Eimer mit Fäkalien, weil er es nicht mehr ins Bad schaffte", erinnert sich Muckel. Er hatte kein Telefon, mit dem er sich Hilfe hätte holen können, und niemanden, der sich um ihn kümmerte. "Wir waren von Nachbarn alarmiert worden, da er irgendwann gegen die Wand klopfte, um auf sich aufmerksam zu machen. Das sind Bilder und Gerüche, die man nicht so schnell wieder vergisst."