Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt: Christus Jesus!
Liebe Geschwister,
Wie kommen wir zu guten Entscheidungen? Hier auf der EKD-Synode und in unserem Leben? Entscheiden Christen anders als andere Leute?
Bevor wir über das Entscheiden nachdenken, ist für uns eines klar: Es ist schon entschieden. Wir sind gerettet durch die große Heilstat in Jesus Christus. Sein Sterben und Auferstehen, hat den Himmel geöffnet und die Erde weiß um ihr neues Antlitz. Gottes Welt ohne Gewalt und Tränen, ohne Hass und Krieg. Darauf gehen wir zu und von dorther leben wir schon heute. Die eine wirkliche Zeitenwende ist in Jesus Christus bereits geschehen. Gott sei Lob und Dank!
"Sage ich doch" ruft der Glaube vom Kanzeldeckel: All unser Entscheiden und Beraten geschieht im Vorletzten. Das Letzte ist bereits entschieden: "Gott liebt Dich und Iiebt diese Welt" ruft die Liebe und streichelt ihre Kinder. "Halte Dich daran fest" singt die Hoffnung und dreht sich im Tanz, dann kannst Du leicht mutig maßvoll und umsichtig das entscheiden, was jetzt entschieden werden muss. Es geht nicht um alles, sondern um das, was jetzt für Dich erkennbar und verstehbar ist. Und wenn es sich noch so drängend und alternativlos präsentiert, es bleibt vorletztes Entscheiden. Dein Heil ist schon entschieden.
Aber deine Entscheidungen sind nicht unwichtig und sie haben Konsequenzen für Dich und für andere und es muss entschieden werden. Und wenn wir als Synode entscheiden, gilt dies genauso. Und da es nicht darum geht, mich durchzusetzen und andere zu besiegen, sondern darum gute Entscheidungen für alle zu treffen, gehört das dreifache Hören vor jede Entscheidung in der Synode. Zuerst hören auf das, was Gott jetzt will. Die Entscheidungen für die Kirche sollen aus dem einmütigen Gebet der Geschwister entspringen.
Das ist leichter gesagt als getan, da es so viele Stimmen gibt. Aber wir haben dies in der Synode erlebt, dass wir einmütig und klar im Geiste Jesu entscheiden konnten. Das zweite Hören gilt den Geschwistern in Christo: Luther sprach vom wechselseitigen Gespräch und Trost unter Brüdern und Schwestern. Wir können unsere Überlegungen und Gedanken miteinander diskutieren in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen, in den Pausen. Und denen zuhören, die Fachleute sind, aber auch einander zuhören, warum wie uns so oder so entscheiden wollen und einander trösten. Das dritte Hören gilt dem Wort Gottes, aus dem alles kommt, was wir als Kirche sind. So lasst uns nun auf das Evangelium hören und sehen, was es uns zur Frage der guten Entscheidungen zu sagen hat:
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD, liest Matthäus 5, 3-11:
Jesus spricht: »Glückselig sind die, die wissen, dass sie vor Gott arm sind.
Denn ihnen gehört das Himmelreich.
Glückselig sind die, die trauern.
Denn sie werden getröstet werden.
Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind.
Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten.
Glückselig sind die, die hungern und dürsten
nach der Gerechtigkeit.
Denn sie werden satt werden.
Glückselig sind die, die barmherzig sind.
Denn sie werden barmherzig behandelt werden.
Glückselig sind die, die ein reines Herz haben.
Denn sie werden Gott sehen.
Glückselig sind die, die Frieden stiften.
Denn sie werden Kinder Gottes heißen.
Glückselig sind die, die verfolgt werden,
weil sie für Gottes Gerechtigkeit eintreten.
Denn ihnen gehört das Himmelreich.
Glückselig seid ihr, wenn sie euch beschimpfen, verfolgen und verleumden, weil ihr zu mir gehört.
Landesbischof Friedrich Kramer:
Höre ich die Seligpreisungen, fällt mir bei den ersten beiden auf: Hier gibt es nichts zu entscheiden. Wenn ich arm bin oder in Trauer, werde ich oft nicht an Entscheidungen beteiligt, da ich für das Aushandeln von Interessen keine Macht und keinen Einfluss habe. Schnell haben wir Milliarden für Rüstung ausgegeben. Mit der Hälfte allein der deutschen Rüstungsausgaben ließe sich der stark gestiegene Hunger in der Welt eindämmen. Aber dafür reicht die Macht der Hungernden nicht aus. Jesus preist die Armen und Trauernden selig, und wenn wir entscheiden, gilt es, achtsam und respektvoll mit den Armen und Traurigen umzugehen und ihre Perspektive mithineinzunehmen in unser Nachdenken. Wir sollten ihre Stimme sein.
Die beiden weiteren Seligpreisungen: "Selig sind die von Herzen freundlich sind" und "Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit" sind gute Kontrollfragen. Wie sehen herzensfreundliche und gerechte Entscheidungen aus? Sind das Konsensentscheidungen und Einmütigkeit? Wichtige Entscheidungen brauchen bei uns eine Zweidrittelmehrheit. Hätten die Briten ihren Brexit mit einer Zweidrittelmehrheit entscheiden müssen, wären sie noch in der EU. Oder ist das Konsensverfahren wie bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Weg zu gerechten Entscheidungen? Dann werden manche Entscheidungen aber nie gefällt. Oder wie ist es mit direkter Demokratie bei unseren Entscheidungen, ist das nicht am gerechtesten?
Barmherzigkeit und ein reines Herz sind wunderbare Haltungen für das Entscheiden, die wir aus den folgenden Seligpreisungen hören. Dass ich mit mir und den Anderen barmherzig bin, dass ich nicht eine verborgene Agenda oder ein vergiftetes Herz gegen meine Geschwister habe, sondern offen und transparent mit ihnen streite. Und da beides keine leichte Grundhaltung ist, braucht es die Buße und Umkehr und je und je einen Neuanfang. Gerade wenn wir länger zusammen beraten, sind Vergebung und Reinigung der Herzen als Grundhaltung für unsere Arbeit in der Synode wichtig.
Mit den nächsten beiden Seligpreisungen leuchtet das Ziel unserer Beratungen und Entscheidungen auf: es geht um Frieden und Gerechtigkeit, um nichts Geringeres. Und zwar so, dass wir dafür einstehen, auch wenn es mit Spott und Verfolgung und Beschimpfung einher geht. Wie schwer haben es jetzt die Pazifisten, die Jesus seligpreist, in der Ukraine und in Russland!
Fürchten wir die Anschlussfähigkeit an die Gesellschaft zu verlieren, wenn wir zu pazifistisch in der Kriegsfrage argumentieren? Wo ist unser Gehorsam gegenüber Jesu Gewaltlosigkeit? Ist Gewaltverzicht nur eine individuelle Option und keine der Kirche mehr und waren wir nicht gestern noch unterwegs eine Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens zu werden? Andererseits: Müssen wir nicht um der Gerechtigkeit und Nächstenliebe willen helfen? Das ist klar. Aber auch mit Waffen? Ich sage Nein. Aber können wir einem ungerechten Frieden zustimmen? Wir spüren, dass die Antworten uns zerreißen und unglücklich machen.
Die Seligpreisungen sind der Geist des Evangeliums, der uns in unseren Entscheidungen leiten soll. So wie zwischen den sechs Tugenden oben im Kanzeldecke die Taube des Heiligen Geistes fliegt.
Wir werden hier auf der Synode entscheiden. Und die Entscheidungen werden mal falsch und mal richtig sein, mal werden sie mit Gottes Willen übereinstimmen und ein andermal nicht. Und wenn Gott etwas vorhat, ist es soundso umsonst, sich anders zu entscheiden. Das wusste schon Gamaliel und gibt den Rat: Entweder ist es von Gott, dann wird es geschehen, oder es ist nicht von Gott, dann wird es vergehen.
Mit Gott rechnen, wenn wir als Synode über Finanzen und Strukturen beraten, aber auch wenn es um persönliche Entscheidungen geht, vor denen jede und jeder steht. Verantwortliche Entscheidungen treffen, sich verständigen und in seinem Geiste handeln.
Die Tugend Mut schaut vom Kanzeldeckel: "Also mutig dran!" "Entscheide kräftig, aber glaube noch kräftiger", ruft der Glaube, und die Liebe nimmt Umsicht und Mäßigung in den Arm und sie schauen uns aufmunternd an. Die Hoffnung tanzt und ruft: "Das Entscheidende ist schon entschieden. Unser Heil ist entschieden!" "Sag ich doch", ruft der Glaube vom Kanzeldeckel!
So lasst uns getrost unsere Synode und die neue Woche beginnen und gute Entscheidungen treffen.
Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, ergreife unsere Herzen und Sinne in Jesu Namen.
AMEN
(Die Predigt lag evangelisch.de in schriftlicher Form vor. Eine mündliche Abweichung wurde hinzugefügt.)