Am Sonntag (16. Oktober) ist Welternährungstag. Der sei leider immer noch nötig, um darauf aufmerksam zu machen, dass rund 828 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden, sagt Linda Corleis, Referentin von "Brot für die Welt" im Diakonischen Werk Hamburg. Die Zahl der Hungernden sei in den letzten vier Jahren noch einmal um 112 Millionen angestiegen. "Darum ist es brandaktuell, dass wir am Welternährungstag darauf hinweisen, was die Ursachen sind und was jeder Einzelne tun kann", so Corleis.
Von Hunger werde gesprochen, wenn ein Mensch weniger als 2.100 Kalorien pro Tag zu sich nehmen kann, sagt Corleis. Die Ursachen für Hunger seien vielschichtig. Ein Problem sei der Klimawandel: Durch Trockenheit könne eine Saat nicht wachsen oder sie werde durch Überschwemmungen zerstört, wie zuletzt in Pakistan, sagt Corleis. Zuletzt habe Corona in vielen Teilen der Welt verhindert, dass Felder ordentlich bestellt wurden, weil "die Menschen mancherorts während der Lockdowns nicht auf die Felder durften", so Corleis. Und nicht zuletzt führten auch Kriege und Vertreibung dazu, dass nicht gesät werde und es somit auch keine Ernte gebe.
Und während die vollen Regale in einem Hamburger Supermarkt suggerieren, dass genug für alle da sei, läge das Problem demnach an anderer Stelle: "Die Nahrung ist nicht dort, wo die Menschen sie benötigen", betont Corleis. Die Ressourcen seien nicht gerecht verteilt. Aktuell sei es so, dass mehr als 60 Prozent der Rohstoffe für die Lebensmittel, die wir konsumieren, in den sogenannten Entwicklungsländern angebaut werden. "Also auf Flächen, die die Menschen eigentlich selbst benötigen", so Corleis.
Hinzu komme, dass viele Menschen weltweit so arm seien, dass sie sich die Lebensmittel, die es zu kaufen gibt, nicht leisten können, sagt Corleis. Die Lösung sei, Nahrung lokal zu produzieren, "und dafür müssen die Regierungen ihre Kleinbauern stärken". Der richtige Weg sei, ihnen Zugang zu Saatgut und Land zu ermöglichen, so Corleis. Denn über 70 Prozent der Weltbevölkerung werde laut "Brot für die Welt" von Kleinbauern ernährt, nicht von der Nahrungsmittelindustrie.
Die Thematik gehe uns auch in Deutschland an, sagt die Referentin. Weltweit leben 98 Prozent aller Hungernden in den sogenannten Entwicklungsländern, "paradoxerweise davon mehr als 60 Prozent sogar auf dem Land und produzieren selber Nahrungsmittel", so Corleis. Weil aber Transportwege, Lager und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten fehlten, verderbe rund die Hälfte davon. Die notwendigen Investitionen seien von den Ländern vor Ort oft verhindert worden und stattdessen seien billige, subventionierte Agrargüter zum Beispiel aus Europa importiert worden.
Die Zahl der Hungernden sei aber auch in Industrienationen und "großen Städten wie Hamburg in den vergangenen Jahren stetig gestiegen", sagt Corleis. Hinzu komme, dass beispielsweise in Deutschland viele Lebensmittel weggeworfen werden. Durchschnittlich entsorge jeder Deutsche 82 Kilo Lebensmittel pro Jahr. "Wir könnten mit den Lebensmitteln, die wir weltweit jährlich wegwerfen, die Menschheit zweimal ernähren".
Die Hilfsorganisation mache derzeit mit dem Appell "Lasst sie nicht verhungern" die Politik auf die Hunger-Situation weltweit aufmerksam, sagt Corleis. Denn während die Regierung die Kürzung des Etats für Entwicklungs- und Katastrophenhilfe plane, fordert "Brot für die Welt", dass der Etat um mindestens 2,7 Milliarden Euro erhöht werden muss. "Um die anstehenden Hungerkrisen, die eher noch größer werden, zu lindern", so Corleis.
Sicherlich könne auch jeder Konsument seinen Beitrag leisten, zum Beispiel durch bewussteres Einkaufen, weniger Fleischkonsum oder die Nutzung von Foodsharing-Projekten, "und natürlich, indem wir weniger Lebensmittel wegwerfen", sagt Corleis. Die Grundlage für eine faire Verteilung und eine gerechte Lebensmittelpolitik müsse laut "Brot für die Welt" von den Regierungen geschaffen werden. "Damit alle Menschen einen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln haben", so Corleis.