An der Straße steht ein weiß-violetter Van mit der Aufschrift "Maria weint um ihre Enkel". Zu sehen ist eine ältere Frau, die ihre Tränen mit einem Taschentuch wegwischt. Darunter steht: "Die Mutter der Kinder verhindert seit 488 Tagen den Kontakt zum Vater und damit auch zu den Großeltern." Plakate und Autobeschriftungen dieser Art sind Teil der Twitter-Kampagne #GenugTraenen. Die Initiative will neben der Eltern-Kind-Entfremdung auch den Kontaktabbruch zu Großeltern sichtbar machen.
Jedes Jahr verlieren nach einer Schätzung rund 150.000 Kinder nach der Trennung ihrer Eltern auch den Kontakt zu ihren Großeltern. Vielen Omas und Opas wird der Kontakt zum Enkelkind unterbunden oder erschwert.
Gundula Bachhammer (Name von der Redaktion geändert) ist eine davon. Zuletzt hat sie ihr Enkelkind vor rund einem Jahr gesehen. "Ich habe in den ersten zwei Jahren sehr oft auf meine Enkeltochter aufgepasst und hatte eine starke Bindung zu ihr", erinnert sie sich. Bei der Geburt des Kindes war die Mutter erst 19 Jahre alt und wollte ihre Freiheiten genießen, weshalb Bachhammer oft für die Schwiegertochter eingesprungen sei.
Doch zwei Jahre später trennten sich ihr Sohn und seine Partnerin. "Der neue Partner der Kindsmutter ist sehr besitzergreifend. Er zwingt das Kind dazu, ihn Papa zu nennen", sagt sie. Den leiblichen Vater dürfe die mittlerweile Zwölfjährige nur noch mit dem Vornamen ansprechen.
Teil der Familie wird ausgegrenzt
Das Kind hat den Nachnamen des Stiefvaters angenommen. Der Kindsvater wusste nichts davon. "Wir haben nur über einen Anwaltsbrief, auf dem das Kind bereits anders hieß, davon erfahren", sagt Bachhammer. Die 60-jährige Mainzerin möchte anonym bleiben. Auf Twitter schreibt sie unter dem Namen "Trennungsoma" für ihr Enkelkind, aber auch für andere Betroffene. "Diesen Kindern wird so viel genommen", sagt sie.
Ihr Sohn habe, obwohl er der leibliche Vater ist, keine Mitsprachemöglichkeiten bei wichtigen Entscheidungen seines Kindes, solle aber ständig zahlen. Zu Weihnachten schicke die Kindsmutter immer lange Listen mit teuren Geschenkwünschen. "Am Anfang haben wir das noch mitgemacht. Mittlerweile lege ich das Geld auf ein Sparbuch, damit sie später den Führerschein davon bezahlen kann", sagt Bachhammer. Der Unterhalt werde über die Beistandsstelle gezahlt, zur Absicherung.
Die Mutter des Kindes habe es von Anfang an als ihren Besitz und den ihrer Herkunftsfamilie angesehen. Die Familie väterlicherseits werde ausgegrenzt. "Ich darf sie nicht einmal anrufen", sagt Bachhammer.
Praktisch keine rechtliche Handhabe
Seit rund 20 Jahren setzt sich die Bundesinitiative Großeltern (BIGE, Euskirchen) dafür ein, dass Omas und Opas nach einer solchen Paar-Trennung weiterhin Kontakt zu den Enkelkindern behalten. Eine Sprecherin der Initiative sagt: "Der Entfremdungsprozess geht wahnsinnig schnell."
Sie engagiere sich auch aus eigener Betroffenheit. "Nach dem Unfalltod meiner Tochter im Jahr 2015 hat mein Schwiegersohn den Kontakt zu unseren Enkeln vollkommen unterbunden", sagt sie. Ihr Mann und sie hätten vorher ein gutes Verhältnis zu den damals ein- und vierjährigen Kindern gehabt.
Die BIGE ist eng vernetzt mit dem Väteraufbruch für Kinder (VAFK). VAFK-Vorstand Markus Witt sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Für Familienangehörige wie die Großeltern gibt es praktisch keinerlei rechtliche Möglichkeiten, mit dem Scheidungskind in Kontakt zu bleiben." Als einzige Hoffnung sieht er: "Senden Sie dem Kind Signale, Briefe, Nachrichten, dass Sie noch da sind und hoffen Sie."
Gundula Bachhammer sagt, sie werde weiter darum kämpfen, ihr Enkelkind sehen zu dürfen. "Ich werde für den Rest meines Lebens immer wieder meiner Enkeltochter zeigen: Ich bin für dich da."