Von klein auf ist die Katze Tapsie chronisch krank. Als sie stirbt, schmerzt das Katzenmama Daniela Müller sehr. "Man sitzt dann allein auf dem Sofa, wo sich die Katze immer zu einem gekuschelt hat", erzählt die Baden-Württembergerin. Zehn Jahre lang hat sie mit Tapsie zusammen gewohnt - das Tier war wie ein Lebenspartner für sie. "Ich war am Anschlag", erinnert sich Müller, deren Großeltern zur selben Zeit auch noch ins Pflegeheim kamen. Manchmal sei sie gar nicht mehr nach Haus gegangen: Die leere Wohnung, in der noch die Futternäpfe standen, habe sie ständig daran erinnert, dass Tapsie gestorben sei.
Im Internet stößt Müller schließlich auf die Trauerbegleiterin Franziska Lüttich aus Weilheim in Bayern, die Nachrufe auf verstorbene Tiere schreibt: eine Art Gedenktext als Erinnerung für die hinterbliebenen Besitzer und Besitzerinnen. Müller nimmt Kontakt auf, will mit jemandem sprechen, der die Trauer um ihre Katze nicht nur abtut mit Floskeln wie "Hol' dir halt 'ne neue".
Müller hat auch schon selbst zur Feder gegriffen, als eine ihrer früheren Katzen starb, wie sie erzählt. Doch dieses Mal soll jemand anderes über ihre Katze schreiben, professionell und verständnisvoll. "Ein Tier begleitet einen manchmal länger als mancher Mensch", sagt die Katzenliebhaberin. Da sei ein ordentlicher Nachruf alles andere als absurd.
Wenn Trauer nicht ernst genommen werde - das sei das Schlimmste, was einem passieren könne, findet auch die Berliner Psychologin Helga Land-Kistenich. In ihrer Praxis hat sie immer wieder mit Menschen zu tun, die um ein Tier trauern. Allerdings indirekt, denn das sei meist nicht der primäre Beweggrund, zu ihr zu kommen. Vielmehr suchten ihre Klienten sie wegen Verhaltensauffälligkeiten auf - und dabei komme "nebenbei" schon mal die ein oder andere unverarbeitete Trauer um ein Tier ans Licht.
Wie Menschen auf den Tod eines Tieres reagierten, sei je nach Charakter unterschiedlich. In jedem Fall solle man den Trauernden aber Zeit lassen, rät Land-Kistenich. Mitfühlende, tröstende Worte könnten bei der Trauerbewältigung helfen.
Wichtig sei auch das vertrauensvolle Gespräch
Bei den Worten von Trauerrednerin Franziska Lüttich fühlt sich Daniela Müller verstanden. Zuerst soll sie einen Fragebogen ausfüllen: Welche Spitznamen hatte die Katze? Gab es besondere Dinge, die nur die eigene Katze gemacht hat? Sie erzählt Lüttich alles über Tapsie. Das Wichtige sei aber gar nicht unbedingt der Nachruf, sagt Lüttich. Das vertrauensvolle Gespräch sei häufig mindestens genauso wertvoll.
Absichtsloses Zuhören und Verständnis - das seien ihre Stärken: "Ich sage den Menschen nicht, was sie tun müssen. Ich höre einfach zu." Lüttich hat schon 26 eigene Hunde bis in den Tod begleitet, denn viele seien erst in hohem Alter zu ihr gekommen. Als ihr Herzenshund Suerte vor zwei Jahren starb, schrieb sie auf Facebook einen Nachruf, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Aus der positiven Resonanz sei die Idee entstanden, das Verfassen von Nachrufen für Tiere professionell anzubieten, gegen Bezahlung.
Seither hat sie Würdigungen für Hunde, Katzen, Kaninchen und auch ein Pferd verfasst und die Besitzerinnen und Besitzer in ihrem Schmerz begleitet. Lüttich, die auch Trauerrednerin für Menschen ist, betont: "Trauer hat keine Hierarchie. Trauer ist Trauer." Egal, ob es sich um einen jüngeren oder älteren Menschen handele - oder eben um ein Tier. Das bestätigt auch Psychologin Land-Kistenich: Die Bindung sei entscheidend für die Trauer. Der Verlust werde auf emotionaler, körperlicher, kognitiver und der Verhaltensebene gleich verarbeitet. "Deswegen ist die Trauer wirklich berechtigt und zulässig und kein übersteigertes, hysterisches Verhalten", sagt sie über die Trauer um ein Haustier.
Tapsies Tapetenzerstörung kam nicht in den Nachruf
"Meine liebe Tapsie, mein Bärle, Du bist in meinem Herzen, Du bleibst in meinem Herzen und irgendwann sehen wir uns wieder", heißt es in dem dreiseitigen Nachruf auf Tapsie. Daniela Müller hat ihn auf ihrem Computer gespeichert. Wann immer sie ihn liest, sei es für sie eine Achterbahnfahrt der Gefühle, erzählt sie. Bei einem Satz müsse sie lachen, beim nächsten weinen. Dass Tapsie etwa alle Tapeten in ihrer Wohnung verkratzt habe, hätte sie selbst so nicht im Nachruf erwähnt. Trotzdem habe sie ihre Katze in dem Text komplett wiedergefunden. Müller: "Lüttich verpackt es so, dass man schmunzeln muss und denkt: Ja, die Tapeten haben damals 1.000 Euro gekostet. Aber heute lache ich drüber."