Der Segen für die Tiere solle zum Ausdruck bringen, dass auch die "außermenschliche Schöpfung eine Würde hat und Segen verdient", sagte Bedford-Strohm. Tiere seien für den Menschen nicht einfach nur Besitz und Sachwert, sondern ein Mitgeschöpf.
Tiere zu segnen ist in der katholischen Kirche völlig normal, wie Gottesdienste in Tauberbischofsheim, Kaiserslautern, Landau oder Stuttgart zeigen. In der evangelischen Kirche jedoch sind Tiersegnungen alles andere als selbstverständlich. Die Meinungen gehen auseinander. "Menschen, die Tiere halten, zu segnen ist gut, die Tiere direkt zu segnen, dem stehen wir eher skeptisch gegenüber", sagt Stephan Krebs, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau. "Das Verhältnis von Tieren und Menschen ist widersprüchlich, es reicht von einem liebevollen Verhältnis bis hin zur Fleischproduktion, die teilweise unter sehr unwürdigen Bedingungen abläuft."
Segen Gottes gilt vor allem den Menschen
Gen 1, 26-28 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Trotzdem feiern viele evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer mittlerweile Tiergottesdienste und segnen Tiere. Sie vertreten einen anderen Ansatz, wie zum Beispiel Pfarrer Ulrich Seidel aus Brandis, Vorsitzender des Vereins Aktion Kirche und Tiere (AKUT) und Mitglied des Kuratoriums des Instituts für zoologische Theologie an der Universität Münster.
"Beim Abschlussgottesdienst des Kirchentages für Mensch und Tier in Dortmund kam ein Ehepaar mit ihrem Hund zu mir", erzählt Seidel. "Die beiden hatten den Hund aus Thessaloniki mitgebracht, dort haben sie ihn aus einem Versuchstierheim geholt." Der Hund hätte mehrfach gebrochene Beine gehabt, doch seit das Ehepaar sich seiner angenommen hätte, sei offensichtlich, dass es ihm gut gehe. Diese Begegnung sei für ihn etwas ganz besonderes gewesen, sagt Ulrich Seidel.
"Tiere tragen genauso das Leben in sich wie Menschen"
Wenn er Menschen und ihre Tiere segne, sehe er vor allem die Beziehungsgemeinschaft zwischen ihnen, so Seidel. Die Menschen, die zu ihm kämen seien sehr dankbar, dass die Kirche den Umgang mit den Tieren als Mitgeschöpfen ernst nehme. "Die vielbeschworene bevorzugte Stellung des Menschen vor Gott ist biblisch nicht zu legitimieren, das ist eine Engführung", betont der Pfarrer. "Tiere tragen genauso das Leben in sich wie Menschen, ihnen gilt der Segen Gottes genauso wie den Menschen", sagt er und verweist auf die Geschichte von der Arche Noah, in der es im Gegensatz zum ersten Schöpfungsbericht keine Überordnung des Menschen über die Tier gibt und der Segen Gottes Menschen und Tieren gleichzeitig gilt.
Gen 8, 15-17 Da redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der Arche, du und deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne mit dir. Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleisch, an Vögeln, an Vieh und allem Gewürm, das auf Erden kriecht, das gehe heraus mit dir, dass sie sich regen auf Erden und fruchtbar seien und sich mehren auf Erden.
"Die Tierwelt hängt am Kreuz", gibt Seidel zu bedenken und hat dabei nicht nur Tierversuche vor Augen, sondern auch die Bilder von Tiertransporten und Massentierhaltung, die ihn als jungen Mann zu einem Umdenken geführt haben, auch was seine Theologie betrifft.
###mehr|terms|13682+6593###
Seidel kritisiert, dass die Kirche das Leiden in Bezug auf den Menschen verinnerlicht habe, aber das Leiden der Tiere nicht in gleichem Maße ernst nehme. Das Wort "Mitgeschöpf" im Bezug auf Tiere finde sich zum Beispiel in dem säkularen Tierschutzgesetz, sagt er, aber in der gegenwärtigen Theologie käme es kaum vor. "Höchste Zeit, dass sich Synoden und Kirchenleitung endlich dezidiert zu dem Thema äußern", fordert er. Mit dem Synodenbeschluss aus Sachsen gegen Massentierhaltung auf Kirchenland sei schon ein guter Anfang gemacht worden.
Der Ratsvorsitzende der EKD hat nun mit seinem Segen für die Ochsen, Kälber, Schafe, Esel und Hühner in Altötting ein weiteres deutliches Ausrufezeichen hinter die Würde von Tieren gesetzt. Die Ambivalenz allerdings bleibt, dass Nutztiere in vielen Fällen trotz liebevoller Beziehung letztlich getötet werden. Insofern muss jeder Christ selbst entscheiden, wie er zu einer Tiersegnung steht.