Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Mahmoud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde
© Wolfgang Kumm/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Mahmoud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, beantworten nach ihrem Gespräch auf einer Pressekonferenz Fragen von Journalisten.
Streit um Abbas-Kritik an Israel
Scholz empört über "Relativierung des Holocaust"
Im Kanzleramt wirft Palästinenserpräsident Abbas Israel "50 Holocausts" vor. Kanzler Scholz reagiert darauf nicht sofort und wird dafür kritisiert. Sein Sprecher nimmt die Schuld auf sich.

Nach dem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dessen Holocaust-Aussage scharf verurteilt und seine eigene, verspätete Reaktion darauf bedauert. Über Twitter erklärte er am Mittwochmorgen in Berlin: "Ich bin zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten." Er fügte hinzu: "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel."

Nach Angaben seines Sprechers Steffen Hebestreit bedauert Scholz, dass er auf der Pressekonferenz "nicht ein zweites Mal intervenieren und direkt auf die Angriffe Abbas' reagieren konnte".

Am Dienstagnachmittag war Abbas zu einem Gespräch im Kanzleramt in Berlin. Bei der anschließenden Pressekonferenz sagte er, Israel habe "50 Massaker", "50 Holocausts" in 50 palästinensischen Dörfern und Städten verübt. Nach diesen Äußerungen endete die Pressekonferenz. Scholz, der zuvor einen Apartheid-Vorwurf zurückgewiesen hatte, reagierte diesmal nicht sofort. Dafür wurde er zum Teil heftig kritisiert.

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Sein Sprecher nahm die Schuld auf sich. "Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen", betonte Hebestreit. Er habe am Ende der Pressekonferenz keinen Blickkontakt zu Scholz gehabt, sagte er. "Dann habe ich den Fehler gemacht, nicht darauf zu reagieren beziehungsweise nicht selber eine Lücke zu lassen, sodass der Bundeskanzler reagieren kann." Scholz habe ihn deshalb beim Abgang von der Bühne "angeraunzt", weil er noch gerne etwas entgegnet hätte. Doch da seien die Mikrofone schon aus gewesen.

Am Mittwochvormittag bestellte das Kanzleramt laut Hebestreit den Leiter der palästinensischen Vertretung in Berlin ein. Scholz erwarte, dass Abbas "die Singularität des Holocausts ohne jede Einschränkung anerkennt". Für Donnerstag sei ein Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid anberaumt, um über den Vorfall zu sprechen.

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Lapid hatte bereits auf Twitter reagiert und erklärt, dass Abbas Israel "50 Holocausts" vorgeworfen habe, während er auf deutschem Boden stand, "ist nicht nur eine moralische Schande, sondern auch eine monströse Lüge". Sechs Millionen Juden seien im Holocaust ermordet worden, darunter eineinhalb Millionen jüdische Kinder. "Die Geschichte wird ihm nie verzeihen."


Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, äußerte heftige Kritik an Scholz: "Dass eine Relativierung des Holocaust, gerade in Deutschland, bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös", erklärte er.

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CDU-Chef Friedrich Merz sprach von einem "unfassbaren Vorgang im Kanzleramt". Scholz hätte Abbas "klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen", twitterte er.

Auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich zu Wort. Auf Anfrage der "Bild"-Zeitung erklärte eine Sprecherin des Büros der ehemaligen Regierungschefin, die Äußerungen seien ein inakzeptabler "Versuch, die Singularität der von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen des Zivilisationsbruchs der Schoa zu relativieren beziehungsweise den Staat Israel direkt oder indirekt auf eine Stufe mit Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus zu stellen".

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, nahm Scholz in Schutz. Der Kanzler habe seine Empörung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Der Auftritt Abbas' entlarvt die antisemitische Haltung des Palästinenserpräsidenten. Hier sollten alle politischen Kräfte in Deutschland ihre klare Abscheu zum Ausdruck bringen und keine parteipolitischen Spielchen lostreten."

Abbas ließ später über die Agentur Wafa erklären, mit seiner Antwort auf der gemeinsamen Pressekonferenz habe er nicht die Singularität des Holocausts leugnen wollen. Der Holocaust sei das grausamste, abscheulichste Verbrechen in der modernen Geschichte.