Portrait von Özden Terli, Redakteur und Moderator in der Wetterredaktion des ZDF
© epd-bild/Özden Terli/privat
Der Meteorologe und ZDF-Wetter-Moderator Özden Terli fordert die Medien auf, "die Folgen des Klimawandels klar zu benennen, auch wenn es schmerzhaft ist".
Meteorologe Terli zu Klimakrise
"Demokratie steht auf dem Spiel"
Özden Terli (51) ist seit 2013 Redakteur und Moderator in der Wetterredaktion des ZDF. Seine Berichte nutzt er häufig auch zur Vermittlung wissenschaftlicher Informationen zum Klimawandel.

Der Meteorologe Özden Terli betonte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass er anfangs im Sender einige Überzeugungsarbeit leisten musste, damit auch die Hintergründe des Klimawandels dargelegt werden.

epd: Nehmen Medien das Thema Klima endlich ausreichend ernst - oder nur dann, wenn es mal wieder eine Hitzewelle oder Starkregen gibt?

Özden Terli: Bisher wurde das Thema nach meiner Beobachtung hauptsächlich in den Nachrichten behandelt. Es wurde auch nicht immer richtig dargestellt, sondern als leichte Kost, damit die Leute das besser verdauen können. Es ist aber nötig, die Folgen des Klimawandels klar zu benennen, auch wenn es schmerzhaft ist.

Was genau ist nicht deutlich genug dargestellt worden?

Terli: Es handelt sich um eine existenzielle Bedrohung. Das gesamte Gefüge, die Demokratie, steht auf dem Spiel. Ich glaube nicht, dass die Menschen das schon verstanden haben. Oder sie verdrängen es. Man muss es häufiger und drastischer darstellen und gleichzeitig die Lösungen aufzeigen. Wir brauchen keine Technologieoffenheit, das ist Unsinn. Wir haben die Technologie schon, man muss sie nur massiv umsetzen. Aber das wurde im vergangenen Jahrzehnt von den Regierungen ausgebremst. Und das sind Fakten, keine politische Einstellung. Man braucht nur eins und eins zusammenzählen.

"Wir haben die Technologie schon, man muss sie nur massiv umsetzen."

Stellt der Klimawandel eine Zäsur für das journalistische Selbstverständnis dar - im Sinne von: Bei der Rettung des Planeten dürfen Journalistinnen und Journalisten nicht neutral bleiben, müssen sich mit der Sache auch "gemein machen"?

Terli: Wieso sollte man eine existenzielle Frage neutral betrachten? Das habe ich noch nie verstanden. Das Zitat von Hajo Friedrichs ist ja auch aus dem Zusammenhang gerissen. Er hat sich häufig sehr wohl "gemein gemacht". Ich will aber in den Nachrichten tatsächlich nicht die persönliche Meinung des Nachrichtensprechers hören. Das nervt mich zum Beispiel bei den Privatsendern, bei denen Nachrichten und Boulevard schon mal gemischt werden. Die Nachricht soll neutral formuliert werden, aber Journalismus bedeutet doch wesentlich mehr. Es wäre auch wichtig, dass Journalistinnen und Journalisten in den Naturwissenschaften besser ausgebildet wären, so dass sie in Interviews mit Politikern, die Unsinn reden - und das kommt leider zu oft vor -, das Fachwissen haben, um nachzufragen.

Erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal den menschengemachten Klimawandel im Fernsehen zum Thema gemacht haben?

Terli: Ja, ich habe im "Morgenmagazin" eine Karte gezeigt. Es ging darum, dass 1994 das bisher wärmste Jahr war - global oder deutschlandweit, daran erinnere ich mich nicht mehr genau. Ich habe dann gemerkt: Das muss man häufiger tun. Da ich aber zu der Zeit nur sporadisch zu sehen war, und dann musste ja auch die Situation passen, fiel das erst gar nicht auf. Es hat jahrelang gedauert, bis die Klimaleugner oder andere mich auf dem Radar hatten. Seit 2016/17 thematisiere ich Klimafragen verstärkt. Ich habe geahnt, in welche Richtung das geht, war aber trotzdem völlig naiv, wie stark man dann in den Fokus gerät. Ich finde das total irre, denn ich vermittle nur wissenschaftliche Fakten.

"Seit 2016/17 thematisiere ich Klimafragen verstärkt."

Wie war die Reaktion im Sender? Sind Sie immer unterstützt worden oder gab es Diskussionen?

Terli: Diskussionen gibt es immer. Darüber, welches Thema man wählt, wie man es darstellt. Aber ich habe schon eine breite Unterstützerschaft.

Von Anfang an?

Terli: Würde ich nicht sagen. Es war auch einige Überzeugungsarbeit nötig.

Mit wie vielen meteorologischen Modellen arbeiten Sie?

Terli: Das europäische, das amerikanische und das Modell des Deutschen Wetterdienstes. Außerdem hat der DWD noch weitere Modelle, die verschieden hoch aufgelöst sind. Es ist ziemlich komplex, man muss die wissenschaftlichen Hintergründe verstehen. Es reicht nicht, sich einfach vor die Karte zu stellen, über die Wettersymbole zu streicheln und gut angezogen lustig zu sein. Man muss schon Wissenschaftler sein.

Ist eine Wettervorhersage nicht viel zu kurz, um Zusammenhänge zu erklären?

Terli: Ja, die ist in der Tat zu kurz. Es ist Wissenschaftskommunikation, die heruntergebrochen ist auf eine ganz allgemeinverständliche Form. Das wäre bei einem anderen Thema kaum möglich. Aber wir sind konditioniert, schauen seit Jahrzehnten Wetterberichte. Es gibt eine bestimmte Art, das Wetter zu erklären. Jeder weiß zum Beispiel, dass es Hochs und Tiefs gibt.

Was hat sich geändert in den vergangenen Jahrzehnten?

Terli: Die Warnungen sind besser, die Vorhersagen genauer geworden. Die Kästchen, für die man ein Wetter berechnet, sind kleiner geworden. Die Temperatur des nächsten Tages kann man ziemlich gut vorhersagen. Es gibt Wetterlagen, bei denen geht es besser, bei manchen nicht so gut. Auch das muss man transparent darstellen.

Schwierig ist es zum Beispiel, ein Gewitter vorherzusagen.

Terli: Genau. Leider ist es so, dass manche Aussagen nicht mehr diskutiert, sondern nur noch skandalisiert werden. Vor den Hitzetagen im Juli tauchten in den Modellen eine Woche zuvor extrem hohe Temperaturen auf. Ich habe bei Twitter darauf hingewiesen. Es ist legitim, das zu tun und sich auch darüber mit anderen auszutauschen. Was daraus gemacht wurde, war: "Terli sagt 45 Grad voraus". Das war eine glatte Lüge. Man kann gar nicht mehr diskutieren, ohne dass irgendein Blättchen, vor allem aus dem rechtskonservativen Milieu, einen Skandal daraus macht. Natürlich auch, um das öffentlich-rechtliche Fernsehen anzugreifen. Das nervt. Was wir dann tatsächlich vorhergesagt haben, ist auch genauso eingetreten.

"Man kann gar nicht mehr diskutieren, ohne dass irgendein Blättchen, vor allem aus dem rechtskonservativen Milieu, einen Skandal daraus macht."

Sie treten dann aus der Rolle des nüchternen, betont sachlichen Meteorologen heraus. Spielen Sie damit nicht das Spiel der Netzwerke mit, deren Geschäftsmodell ja auf Empörung und Kontroversen beruht?

Terli: Natürlich, das sind die Regeln des Netzwerks. Ich versuche nicht zu skandalisieren, aber ich muss doch widersprechen, wenn Politiker irgendeinen Unsinn erzählen. Der Hype um synthetische Kraftstoffe zum Beispiel: Die sind extrem ineffizient, das bremst uns nur. Und wir haben einfach keine Zeit. Wir müssen so schnell es geht unsere Emissionen auf null herunterfahren. Die Politiker reden von 1,5-, von 2-Grad-Zielen - aber das sind keine Ziele, das sind Limits, die wir nicht überschreiten dürfen. Wir stehen bei einer Erwärmung von 1,3 Grad und sehen die Zerstörungen jetzt schon. Es muss alles viel, viel schneller gehen.

"Synthetische Kraftstoffe sind extrem ineffizient, das bremst uns nur."

Zur Demokratie gehört auch eine lebendige Streitkultur. Was bedeutet das für Klimajournalismus?

Terli: Gegenfrage: Haben wir noch die Zeit zu streiten?

Vielleicht um auf die beste Lösung zu kommen?

Terli: Haben wir nicht die Lösungen schon? Wir haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Darin steht, dass wir die CO2-Emissionen reduzieren müssen. Das ist die Lösung. Wir müssen gleichzeitig die Energieversorgung umstellen, weil wir ja die fossilen Energieträger ersetzen müssen. Sind die Versuche zu streiten nicht Ablenkungsmanöver, um einfach so weitermachen zu können?


Aber es gibt nun mal verschiedene politische Kräfte, und es gehört zum Wesenszug einer Demokratie, dass über die verschiedenen Lösungsansätze gestritten wird.

Terli: Das ist ja in Ordnung - bei allen anderen Themen, aber nicht bei einer solch existenziellen Frage. Denn die Demokratie wird zerstört werden, wenn wir einfach so weitermachen. Wenn die Erderwärmung auf bis zu zwei Grad steigt, betreffen die Folgen einige Hundert Millionen Menschen. Die werden sich nicht nur in ihren Ländern bewegen, die werden auch die Ländergrenzen überschreiten. Was machen wir denn mit diesen Menschen, wenn die vor Europa stehen? Wo gehen all die Menschen in den Küstenstädten hin, wenn das Wasser steigt? Das sind reale Bedrohungsszenarien. Ich denke, das wird nicht annähernd realistisch dargestellt. Und selbst Politiker handeln nicht danach. Wir entziehen den Menschen, die noch gar nicht geboren sind, ihre Existenzgrundlage.