Das sei möglicherweise ein Wendepunkt und könne zu einer "Welle von Verfahren" gegen Bistümer und Ordensgemeinschaften führen, erklärte der Sprecher der Betroffeneninitiative, Matthias Katsch, am Montag in Berlin.
Wegen langjährigen sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Priester verklagt ein Betroffener das Erzbistum Köln vor dem dortigen Landgericht auf rund 800.000 Euro Schmerzensgeld. Der Fall ist ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind. Dass eine Klage dennoch möglich ist, begründet der Anwalt des Klägers mit der sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution.
Katsch erklärte, die im Kölner Fall geforderte Summe scheine angesichts der Lebens- und Leidensgeschichte des Betroffenen "eine eher noch zurückhaltende Forderung" zu sein. Neben der Tat oder den Taten selbst seien die Folgen für die physische und psychische Gesundheit, das Beziehungs- und Sexualleben, Bildungskarriere und Berufsleben, aber auch die Belastung durch "den langen Kampf um Gerechtigkeit" zu berücksichtigen. Hohe Schmerzensgelder könnten zudem Anreize für eine nachhaltige Veränderung im Verhalten der Kirche im Umgang mit dieser Art von Verbrechen schaffen.
Das deutsche Justizsystem sei in der Vergangenheit bei Entschädigungen "wenig opferfreundlich" gewesen, und die finanziellen Belastungen für Betroffene seien hoch, erklärte Katsch. Die Verfahren könnten lange dauern und der Ausgang sei ungewiss. "Viele Opfer sind aber schon in ihrer zweiten Lebenshälfte oder haben ihr Lebensende vor Augen. Ihnen läuft die Zeit davon", sagte der Vereinssprecher, der selbst in seiner Jugend am Berliner Canisius-Kolleg von Missbrauch betroffen war. Die Kirche habe "Täter geschützt, Opfer mundtot gemacht und im Schweigen gehalten", kritisierte er.
Die Initiative Eckiger Tisch wurde nach Aufdeckung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche 2010 gegründet, um Betroffene zu beraten und ihre Interessen zu vertreten. Ihr Name ist an den damals von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Runden Tisch zur Aufklärung des Skandals gewählt worden. Damit protestierten die Betroffenen dagegen, nicht selbst beteiligt worden zu sein.