In der Frage liegen viele Emotionen, sagt die Altenseelsorgerin in der hannoverschen Landeskirche, Anita-Christians Albrecht, im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn es schwinge ein Abschied mit.
epd: Frau Christians-Albrecht, warum ist oft so schwer, mit Eltern oder anderen nahestehenden Menschen darüber zu sprechen, dass es an der Zeit sein könnte, den Führerschein abzugeben?
Anita Christians-Albrecht: Das ist nur eines vom mehreren Themen, die ältere Menschen und die Angehörigen aufwühlen können. Es ist im Grunde eine Abschiedssituation. Da schwingt Trauer mit. Bei den Kindern, weil der Mensch, den sie als Mutter oder Vater kennen, stark und souverän war und davon etwas verloren geht. Sie müssen sich ein Stück weit verabschieden von ihren Eltern. Und die Eltern müssen Abschied nehmen von ihrer Autonomie. Von dem, was ihnen Anerkennung und Freiheit geschenkt hat bisher.
Das klingt nach Konfliktpotenzial. Wie gehe ich damit um?
Christians-Albrecht: Wichtig ist es, die Perspektive zu wechseln, um das Gefühlswirrwarr des jeweils anderen zu verstehen. Es hat mit Würdigung und Anerkennung zu tun. Es ist schwer, wenn sich Rollen ändern und aus den früher sorgenden Eltern Umsorgte werden. Wichtig ist, dass man sich klarmacht: Auch im Alter bleibt das Bedürfnis, dazuzugehören und dabei zu sein. Das ist eines der Grundbedürfnisse der Menschen. Bei den Kindern schwingen auch Schuldgefühle mit. Ich kann ja nicht immer für die Eltern da sein.
"Auch im Alter bleibt das Bedürfnis, dazuzugehören und dabei zu sein."
Sie haben für das Zentrum für Seelsorge in der hannoverschen Landeskirche bereits Seminare zu solchen Fragen organisiert. Was raten Sie?
Christians-Albrecht: Der Führerschein war da nur ein Randaspekt. Es ging generell um schwierige, aber nötige Gespräche mit alten Eltern. Das ist deshalb oft hochemotional, weil es auch um die Vergänglichkeit des Menschen geht, um kleine und große Verluste. Die Mutter, die immer so ordentlich war, läuft etwa mit fleckiger Bluse durchs Haus. Das ist emotional nicht leicht zu akzeptieren. Dennoch ist es wichtig, in den Gesprächen nicht vom Mitleid bestimmt zu werden. Es sollten Gespräche auf Augenhöhe sein, ohne Bevormundung.
Wichtig ist es auch, die Dinge frühzeitig zu besprechen. Ich versuche zu vermitteln, dass es oft auch Alternativen etwa zum Autofahren gibt. Wobei das in der Frage des Führerscheins in der Stadt sicher leichter ist als auf einem Dorf in Ostfriesland. Es hilft zudem, Dinge positiv zu formulieren. Etwa von dem Nachbarn zu erzählen, der seinen Führerschein abgegeben hat, und zu sagen: "Das finde ich schön, dass sich jemand so autonom dafür entschieden hat." Patentrezepte gibt es allerdings nicht.