Der große Engel im goldenen Kleid blickt schon mehr als 300 Jahre sorgenvoll von einer Empore der Oswaldkirche herab. In diesen Tagen könnte man den Blick besonders angstvoll deuten. Statt einer freien Sicht über den Kircheninnenraum blickt er auf unzählige Gerüststangen, die sich vom Boden bis zur Decke durch die gesamte Kirche ziehen. Die Stuckdecke muss gestützt werden, damit sie nicht absackt. "Sie ist zu schwer für die alte Holzdecke", erläutert Klaus Neubert von der evangelischen Kirchenverwaltung in Regensburg. "Die Stuckdecke wurde nachträglich eingebaut, als man der Kirche mehr Prunk verleihen wollte."
Seit Anfang 2021 wird St. Oswald umfassend saniert. Der Dachstuhl ist marode und das Dach samt Ziegel sank deutlich sichtbar nach innen ab. Aktuell klafft ein großes Loch im Dach, das durch Planen verdeckt wird. Der Hausschwamm, ein Holz zerstörender Pilz, hat sich ausgebreitet. "Los werden wir ihn nicht mehr, aber legt man ihn trocken, breitet er sich nicht weiter aus", sagt Neubert. Nach und nach werden nun die alten Holzbalken erneuert. "Wir versuchen so viel wie möglich zu erhalten." Zum Teil werden nur Stücke von Balken ausgetauscht, der Denkmalschutz kommt hier zum Tragen. Zusätzlich werden Stahlträger eingebaut, um das Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert zu stützen.
Jede Veränderung im Dachstuhl hat Auswirkungen auf die barocke Stuckdecke. Zahlreiche Engel aus Gips, Blüten und Inschriften zieren die Decke entlang des Kirchenraums. Um die Malereien zu schützen, wird über die Gemälde großflächig Papier geklebt. Da praktisch alle tragenden Balken ausgetauscht werden müssen, ist die darunter hängende Stuckdecke direkt betroffen. Eine Vermessung im Jahr 2013 ergab, dass sich die Decke bereits um mehr als 30 Zentimeter abgesenkt hatte. "Es war klar, dass man bei der Sanierung des Dachstuhls ein genaues Auge darauf haben muss, was passiert", sagt Neubert.
Entlang der Decke sind mehrere schwarze Kästen installiert. Die Technologie nennt sich Wireless Condition Monitoring und basiert im Wesentlichen auf hochsensiblen, kleinen, batteriebetriebenen Sensoren, die über Funk miteinander vernetzt sind und kleinste Bewegung erkennen können. Alle 30 Minuten wird eine Information über Bewegungen gesendet. "Es wurde bereits mehrfach Alarm ausgelöst", erklärt Neubert. Wenn das Piepen ertönt, mussten die Arbeiten an den Balken unterbrochen und zunächst die Stuckdecke stärker abgestützt werden. "Die Technik wird zum ersten Mal in Deutschland bei einer Kirchensanierung eingesetzt", sagt Neubert. Sonst nutzt man das Verfahren im Gleisbau. Da durch die Vielzahl der Stangen, die die Decke stützen, die Sicht eingeschränkt ist, kamen sonst übliche Laserverfahren nicht infrage.
Bis Ende 2023 soll die Sanierung von Dach und Decke abgeschlossen sein. "Weihnachten wollen wir hier wieder feiern", sagt Neubert. Bis dahin soll auch die wertvolle Orgel, die gerade unter Folien versteckt ist, wieder spielen. 2024 soll dann noch als stützende Maßnahme ein Loch in den Boden gebohrt werden, in das Beton eingelassen wird, um für mehr Stabilität zu sorgen. "Das kann man nachträglich machen."
Auf insgesamt 4,4 Millionen Euro beläuft sich laut Neubert die Sanierung. Ein großer Teil der Kosten wird vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege getragen. Weit mehr als die Hälfte muss die Evangelische Kirche selbst stemmen. Die Gesamtkirchengemeinde treffe das hart. Seit Jahren läuft die aufwendige Sanierung der Dreieinigkeitskirche, die zu den bedeutendsten Baudenkmälern Regensburgs zählt. Zudem traten an der Kirche auf dem Neupfarrplatz Schäden auf. 2024 steht zudem der Gesandtenfriedhof zur Sanierung an. In Zeiten, in denen die Zahl der Gottesdienstbesucher abnimmt, sei das alles bitter: "Wir wissen noch nicht, wie wir St. Oswald künftig nutzen."
Aktuell gebe es Überlegungen, die Kirche für Veranstaltungen zu öffnen. Auch eine Zusammenarbeit mit anderen Religionen schließt der Chef der Kirchenverwaltung nicht aus. Gesucht sei ein Konzept, das den Unterhalt langfristig sichert.