Hunderte im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge haben am 29. Juli weiter auf die Zuweisung eines Hafens gewartet. Während die mehr als 430 Überlebenden auf der "Sea-Watch 3" am Vorabend die Nachricht erhielten, im italienischen Hafen Tarent an Land zu gehen, harrten auf der "Ocean Viking" und der "Geo Barents" insgesamt mehr als 1000 Menschen weiter auf hoher See aus.
Derweil forderte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), ein Ende der europäischen Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache. Sie sprach sich zudem für eine staatlich organisierte Mission aus, um Flüchtlinge und Migranten vor dem Ertrinken zu retten.
Die Crew der "Sea-Watch 3" hatte die Schutzsuchenden vergangenes Wochenende bei mehreren Einsätzen im Mittelmeer gerettet und anschließend auf die Zuweisung eines europäischen Hafens gewartet. Mehrere der Überlebenden mussten aus medizinischen Gründen evakuiert werden. Die Seenotretter rechnen damit, am Samstag in Tarent anzukommen. Auf Twitter sprachen sie von Erleichterung an Bord.
Das Mittelmeer ist eine der wichtigsten und zugleich gefährlichsten Fluchtrouten nach Europa. Immer wieder wagen Menschen auf der Suche nach Schutz die riskante Überfahrt. Häufig brechen sie aus dem nordafrikanischen Libyen aus, wo ihnen in Haftlagern Folter und andere Menschenrechtsverletzungen drohen. Trotz der Gefahren gibt es keine staatlich organisierte Seenotrettung mehr auf dem Mittelmeer. Lediglich die Schiffe ziviler Organisationen halten Ausschau nach in Not geratenen Flüchtlingen und Migranten.
Kooperation mit Küstenwache beenden
Außer der "Sea-Watch 3" sind zurzeit noch die "Geo Barents" von "Ärzte ohne Grenzen" und die vom internationalen Verbund SOS Méditerranée betriebene "Ocean Viking" auf dem Mittelmeer unterwegs. Auf der "Geo Barents" warteten 659 Flüchtlinge auf die Zuweisung eines Hafens, auf der "Ocean Viking" waren es 387 Männer, Frauen und Kinder.
Die Grünen-Politikerin Amtsberg forderte ein Ende der Kooperation der EU mit der libyschen Küstenwache. Von ihr nach Libyen zurückgebrachte Schutzsuchende seien in Haftlagern regelmäßig Folter, Versklavung und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, sagte Amtsberg in Berlin. Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache sei "somit aus menschenrechtlicher Sicht nicht vertretbar".
Gewalt in Libyen
Amtsberg verwies auf das Ende April verlängerte Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Marinemission "Irini" im Mittelmeer, bei der das Waffenembargo gegen Libyen überwacht wird. Die Unterstützung der Küstenwache sei aus dem Mandat gestrichen worden, betonte Amtsberg. Das sei ein "wichtiger und richtiger Schritt, dem sich auch die Europäische Union anschließen sollte". Trotz massiver Kritik hält die EU bisher an der Zusammenarbeit mit der Küstenwache, die weitgehend aus Milizionären besteht, fest.
Auch das "International Rescue Committee" (IRC) prangerte die Gewalt in Libyen an. Für viele Schutzsuchende sei die riskante Flucht über das Meer der "letzte Ausweg", sagte der Libyen-Landesdirektor der Hilfsorganisation, Tom Garofalo. Seit Beginn des Jahres seien mehr als 9800 Menschen auf der Flucht von den libyschen Behörden aufgegriffen und in das Land zurückgeschickt worden. Die meisten von ihnen würden in Internierungslager geschickt.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Beginn des Jahres mindestens 1037 Flüchtlinge und Migranten bei der Fahrt über das Mittelmeer ums Leben gekommen oder gelten als vermisst.