Bei der Spurensuche ging es um Gummistiefel und eine tote Ameise: Vor 25 Jahren erschütterte ein spektakulärer Kriminalfall die Bundesrepublik. Der 56-jährige evangelische Pastor Klaus Geyer sollte am 25. Juli 1997 an einem Waldrand bei Wolfenbüttel seine Ehefrau Veronika Geyer-Iwand erschlagen haben.
"Am Anfang gab es sehr viele Zweifel, dass dieser rundum überzeugende und gebildete Mensch der Täter gewesen sein soll", sagte der damalige psychiatrische Gutachter Ulrich Sachsse dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch schon bald nachdem ein Jäger am 28. Juli die Leiche Geyer-Iwands gefunden hatte, fiel der Verdacht auf den Ehemann. Nach 20 Prozesstagen wurde der inzwischen verstorbene Geyer im April 1998 wegen Totschlags zu acht Jahren Haft verurteilt.
Der Indizienprozess vor dem Braunschweiger Landgericht erzeugte ein außergewöhnliches Medieninteresse. So war auf dem Titel eines Boulevard-Blatts vom "Todes-Pastor" die Rede. Nach dem Haftbefehl gegen Geyer suspendierte die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ihn zunächst vorläufig vom Dienst. Bis zu seinem Lebensende beteuerte der Theologe seine Unschuld.
Den Prozess verfolgten neben den Medienvertretern auch viele Menschen aus dem 500 Einwohner zählenden Wohnort des Ehepaars. Die 53-jährige Veronika Geyer-Iwand, die aus einer berühmten Theologen-Familie stammte, war als ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin und Religionslehrerin hoch angesehen. Auch der Angeklagte genoss als früherer Vorsitzender der bundesweiten Friedensorganisation "Aktion Sühnezeichen" einen guten Ruf. Gemeinsam leitete das Ehepaar ein Altenheim - das "Haus der helfenden Hände" in Beienrode, einem Ortsteil von Königslutter.
Affären kommen ans Licht
An 20 Verhandlungstagen wurden 80 Zeugen und zahlreiche Sachverständige befragt. Der Kriminalbiologe Mark Benecke wurde eigens aus New York eingeflogen. Er hatte anhand von Maden und der Umgebungstemperatur bestimmt, wie lange die Leiche Geyer-Iwands im Wald lag. Sein Gutachten bestätigte eine Tatzeit, für die der Ehemann Geyer kein Alibi hatte.
###drp|00010001kDDlEnYzbrgiuWNAt9Pynhy3nDpF44c8fTS6ZlAejRSY000000302945|Die Akten im Fall Geyer füllten zahlreiche Ordner|© epd-bild / Jens Schulze###
Vor Gericht kam auch heraus, dass Geyer zahlreiche außereheliche Liebesbeziehungen unterhalten hatte und sogar noch in der Nacht des Verschwindens seiner Ehefrau mit einer anderen Frau im Ehebett schlief. Die Geliebten des Pfarrers wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.
Verurteilt wegen Totschlags
Auch ein Paar Gummistiefel aus dem Auto des Angeklagten wurde unter die Lupe genommen. Eine am Stiefel gefundene schwarz glänzende Holzameise gab schließlich einen entscheidenden Hinweis: Ein Experte bestätigte, dass das Insekt nur vom Fundort der Leiche stammen konnte.
Bei der Urteilsverkündung zu acht Jahren Haft wegen Totschlags vergrub Geyer das Gesicht in seinen Händen. Eine Revision des Falls wurde vom Bundesgerichtshof abgelehnt. Rund fünf Jahre verbrachte Geyer im Gefängnis. Im November 2002 wurde der an Krebs erkrankte Mann aus der Haft entlassen. Kurz vor der geplanten Hochzeit mit einer Pastorin aus Hannover starb der Theologe im Jahr 2003.
Bis zu seinem Tod hatte er die Tat bestritten. Psychotherapeut Sachsse sagte, ihm sei bekannt, dass die Familie gespalten sei. Einige Kinder glaubten an Geyers Unschuld, andere nicht. Vor allem für die Familie sei diese im Raum stehende ungelöste Frage eine schwere Hypothek.