Er hat die besondere Spieltechnik kultiviert wie kaum ein anderer: Carlos Santana schlägt die Saiten seiner verzerrten E-Gitarre an - und der Ton steht, steht, steht: gefühlt auf ewig. Santana ist der Großmeister des singenden Gitarrentons. Er selbst bezeichnet sich mit Stolz als einen der letzten Hippies und beschwört die Kraft der Musik, die Menschen zusammenführt und Frieden schafft. Am 20. Juli wird der US-amerikanische Gitarrist mit mexikanischen Wurzeln 75 Jahre alt.
Sein Sound ist sein Markenzeichen, man hört ihn sofort heraus aus der Masse der E-Gitarristen. Er steht damit in einer Linie mit Saiten-Künstlern wie Eric Clapton, Eddie Van Halen, Jimmy Page und allen voran Jimi Hendrix. Santanas frühe Songs "Samba Pa Ti", "Oye Como Va" und "Europa" sind zeitlos. Nach mehr als einem halben Jahrhundert steht er noch immer auf der Bühne und veröffentlicht regelmäßig neue Alben, die er gerne gemeinsam auch mit jüngeren Musikerkollegen einspielt. Sein 26. Studioalbum "Blessings And Miracles" erschien 2021, mitten in der Corona-Pandemie.
Das Musikmagazin "Rolling Stone" listet den Erfinder des Latin-Rock auf Platz 15 seiner Liste der 100 besten Gitarristen auf. Doch Carlos Santana, der in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana aufwuchs, hätte es verdient, darauf ganz vorne zu stehen. Er war es, der Ende der 60er Jahre den elektrifizierten Blues mit lateinamerikanischen Rhythmen mixte und damit als einer der ersten der musikalischen Globalisierung den Weg ebnete.
Mit 14 wurde Santana Straßenmusiker. Er hörte nicht nur lateinamerikanische Musik wie Mariachi oder auf afrikanischen Rhythmen basierende "Música Tropical" aus der Karibik. Der junge Latino war auch ein Fan des damals frischen "Rock'n'Roll", dessen aufrührerische Botschaft über die US-amerikanische Grenze nach Mexiko hinüberwehte.
Santana emigrierte mit seiner Familie in das kalifornische San Francisco, das Mekka der Hippiemusik, spielte dort für ein paar Cents in Striptease-Lokalen - und in Kirchen. 1966 gründete er die "Santana Blues Band". Das Debut-Album "Santana" (1969) bescherte ihm mit dem Song "Evil Ways" gleich einen Top-Ten-Hit in den USA.
Weltberühmt wurde der Musiker mit dem schwarzen Lockenkopf im selben Jahr durch den Auftritt seiner Band in Woodstock. Die im Festival-Film festgehaltene Version von "Soul Sacrifice" - ein Rhythmusgewitter aus Congas, Schlagzeug und wilder Sologitarre - ist die Blaupause für den typischen Santana-Sound.
Vor allem in den 70er Jahren war Santana mit Hitalben wie "Abraxas", "Santana III" oder "Moonflower" immens erfolgreich. Mehr als 100 Millionen Alben hat der Musiker, der meist mit Hut und Schnauzbart zu sehen ist, seither verkauft. Zehnmal hat er den Grammy bekommen, den wichtigsten Musikpreis. Ein Grund für den anhaltenden Erfolg ist das Feuer, das in seiner Musik lodert, sein hingabevolles Gitarrenspiel, das oft von hypnotischem Getrommel unterlegt ist.
Carlos Santana ist als Grenzgänger offen für andere Menschen und Kulturen und auch für Spiritualität. Er ist davon überzeugt, dass die Menschheit Krisen, Kriege und den Rassismus überwinden kann, wenn sie sich auf die Liebe besinnt. "Wir wurden mit göttlichen Kräften geboren, die es uns erlauben, Segen und Wunder zu schaffen", sagte er vergangenes Jahr in einem Interview. Dazu müssten die Menschen nur "Licht, Geist und Seele" nutzen, die in ihnen selbst schlummerten. Santana suchte seinen spirituellen Weg im Buddhismus, zeitweise schloss er sich einem indischen Guru an. Seit Anfang der 90er Jahre bezeichnet er sich als "wiedergeborener Christ". Der Glaube an Jesus habe ihn bei der Aufarbeitung eines verdrängten sexuellen Kindheitstraumas gerettet, erzählte er.
Zur Jahrtausendwende gelang dem Musiker nach einer Flaute in den 80er und 90er Jahren mit den Alben "Supernatural" (1999) und "Shaman" (2002) ein viel beachtetes Comeback. Nach der Scheidung von seiner Ehefrau und seinem Umzug nach Las Vegas mit Casino-Engagements lässt es Santana nunmehr etwas ruhiger angehen. Der Musik des afrikanischen Kontinents, ohne die Rockmusik undenkbar wäre, huldigte er 2019 mit dem Album "Africa Speaks".
Seit Jahrzehnten engagiert sich Santana für soziale Projekte, unterstützt Organisationen wie Amnesty International und Greenpeace. Mit einer eigenen Stiftung für benachteiligte Kinder, der "Milagro Foundation", hat er rund acht Millionen US-Dollar gesammelt. Auch pocht er auf die Bürgerrechte von Minderheiten - amerikanischen Ureinwohnern, Mexikanern und nicht heterosexuellen Menschen - und prangert die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA an.
Santana, so scheint es, ist von positiver Energie erfüllt. Den Traum der Hippies von einer besseren Welt gibt er nicht auf: "In nicht allzu ferner Zukunft", sagte er vor kurzem dem Magazin "Gitarre & Bass", "werden wir uns auch auf etwas besinnen, das im Grunde längst da ist: eine spirituelle Haltung."