Es soll wieder ein lauteres Summen und Brummen von Insekten auf baden-württembergischen Friedhöfen geben. Denn die Grünanlagen sind nach Ansicht des Umweltverbands BUND und des Umweltministeriums ein idealer Ort, um Wildbienen, Nachtfaltern und anderen Insekten Lebensraum zu verschaffen. Auf vier Friedhöfen im Südwesten läuft derzeit ein Projekt, bei dem eine naturnahe Pflege und eine heimische Pflanzenauswahl Insekten mehr Nahrung und Schlafmöglichkeiten schenkt.
Für Andre Baumann (Grüne), Staatssekretär im Umweltministerium, sind Projekte dieser Art entscheidend für die künftige biologische Vielfalt im Südwesten. "Wir müssen jede Fläche mitnehmen", sagte er bei einem Besuch auf dem Stuttgarter Hauptfriedhof. Dazu zähle er etwa auch Grünflächen in Gewerbegebieten.
Das Pilotprojekt "Insektenfreundlicher Friedhof - Artenschutz durch naturnahe Pflege am Beispiel der Wildbienen und Schmetterlinge" wird bis 2024 neben Stuttgart auch auf dem Friedhof Handschuhsheim in Heidelberg, dem Waldfriedhof in Singen (Hohentwiel) und dem Stadtfriedhof in Biberach an der Riß erprobt. So gibt es in jedem Regierungspräsidium einen Modellfriedhof zum Ausprobieren und für Schulungen.
Drei Mal Mähen im Jahr ist nicht sinnvoll
Was läuft nun anders auf einem insektenfreundlichen Friedhof? Lilith Stelzner, BUND-Naturschutzreferentin, hält die vielerorts verbreitete Praxis, bepflanzte Flächen drei Mal im Jahr komplett abzuräumen und mit neuem Grün zu versehen, für wenig sinnvoll. Die Alternative: eine bunt gemischte Dauerbepflanzung etwa mit Stauden, bei der zu jeder Jahreszeit etwas blüht und damit durchgehend für Insektenfutter gesorgt ist.
So sollte nach Stelzners Überzeugung die rundblättrige Glockenblume auf keiner Insektenwiese fehlen. Sie lädt Tierchen wie die kleine Glockenblumen-Scherenbiene nicht nur zum Speisen ein, sondern bietet auch Platz für ein Nickerchen. Ebenfalls geeignet ist die violette Tauben-Skabiose, die etwa für das Sechs-Fleck-Widderchen den Tisch deckt. Rasenflächen auf Friedhöfen sollen nicht wie auf dem Golfplatz kurzgehalten werden, denn weniger Mähen ermöglicht mehr Blütenwachstum und damit neue Attraktivität für Insekten.
Hans Schwenninger, "Wildbienenpapst" (laut Staatssekretär Baumann) und Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Wildbienen in Neustadt an der Weinstraße, hat auf dem Stuttgarter Hauptfriedhof bereits 57 von landesweit 490 Wildbienenarten nachgewiesen. Ihm geht es weniger darum, die Zahl der Arten an einem Ort zu erhöhen. Wichtiger sei es, die Populationen vorhandener Arten zu stärken, da sie in den vergangenen Jahren stark gelitten hätten. Dennoch erwartet Schwenninger, dass auch in Stuttgart die Artenzahl auf rund 70 zunehmen wird.
Das Projekt wird von der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg aus Erträgen der Glücksspirale mit 145.000 Euro gefördert, der Eigenanteil des BUND beträgt knapp 100.000 Euro. Sylvia Pilarsky-Grosch, BUND-Landesvorsitzende, legt Wert auf eine wissenschaftliche Begleitung. Nur so sei gesichert zu erkennen, ob Friedhöfe tatsächlich mehr Wildbienen und Schmetterlingen Heimat bieten können.