Das Einfamilienhaus im Altenahrer Ortsteil Altenburg macht einen gepflegten Eindruck. Vor dem braun verklinkerten Gebäude blühen Blumen, ein Windlicht steht neben dem Eingang. Aber als Gabi Gasper die Haustür öffnet, zeigt sich im Inneren ein anderes Bild: unverputzte Wände, blanker Estrich und ein beißender Heizölgestank in der Luft. "Den kriegt man auch nicht mehr raus", sagt die Eigentümerin. "Das Haus muss abgerissen werden."
Bei der Flut vor einem Jahr hatte das 1998 erbaute Haus bis in den ersten Stock unter Wasser gestanden. Sieben Monate lang hofften Gabi Gasper und ihr Mann, ihr Zuhause retten zu können. Sie beseitigten den mit Heizöl und Fäkalien durchsetzen Schlamm und entkernten das gesamte Haus eigenhändig. Trocknergeräte in einer Ecke des früheren Wohnzimmers zeugen noch von dem Versuch, das Gebäude wieder bewohnbar zu machen. Doch nach mehreren chemischen Analysen stand fest: Dort zu leben, wäre gesundheitsschädlich. Das Heizöl war zu tief ins Gemäuer eingedrungen.
Die Gaspers sind mit diesem Schicksal ein Normalfall in Altenburg, wo 95 Prozent der Gebäude unter Wasser standen. "Dort waren überall Häuser", deutet die 57-Jährige aus ihrem früheren Wohnzimmerfenster auf mehrere trostlose Schotterplätze. Ein paar Grundstücke weiter trotzt ein Familienvater der Tristesse: Zwei Sprenger wässern einen gepflegten Rasen. Den Garten seines abgerissenen Hauses hat der Mann mit gespendeten Pflanzen schon wieder angelegt.
Abriss von mindestens 40 Häusern
28 Häuser im Ort seien bereits abgerissen, zwölf weitere warteten darauf, berichtet Gasper. "Und das ist noch nicht das Ende. Manche Eigentümer streiten auch ein Jahr nach der Flut noch mit der Versicherung um den Abriss", weiß die 57-Jährige. So wie Nachbarn, die bereits mit der Renovierung begonnen hatten. Doch dann stellte sich heraus, dass die Ölverseuchung doch zu stark, die Luftwerte zu schlecht sind.
Die derzeitige Situation sei zermürbend, sagt Gabi Gasper. "Am Anfang konnte man noch aktiv etwas tun. Jetzt ist es viel schlimmer, weil es nicht vorangeht." Die Gaspers wissen noch nicht, wann ihr Haus wieder aufgebaut sein wird. Nachdem erst Anfang des Jahres klar war, dass es abgerissen werden muss, begann das Ehepaar mit den Planungen. Doch die brauchen Zeit, denn wegen der Hochwasser-Auflagen muss nun völlig anders gebaut werden.
Bis es soweit ist, hoffte Gabi Gasper mit ihrem Mann in ihrem Elternhaus unterzukommen. Das stand ebenfalls unter Wasser, kann aber renoviert werden. "Aber auch da geht es nur langsam voran." Noch immer stehe das abschließende Schadensgutachten der Versicherung aus. Handwerker seien schwer zu bekommen. Und dann seien die Kostenvoranschläge mitunter so hoch, dass die Architektin abrate, weil sie fürchte, dass die Kosten nicht durch die Versicherung gedeckt würden. "Wir hoffen jetzt, dass wir vielleicht Anfang nächsten Jahres dort einziehen können."
Solange wohnen die Gaspers in einer Mietwohnung in Altenahr. "Glück im Unglück", sagt Gabi Gasper. Denn in der Wohnung, die sie über persönliche Kontakte bekamen, dürfen sie solange wie nötig bleiben. "Viele andere ziehen seit einem Jahr von einer Übergangswohnung in die nächste." Die meisten sehnten sich einfach nur nach einem normalen Alltag. Doch daran sei zunächst nicht zu denken, sagt Gabi Gasper, deren Arbeitsplatz in einer Apotheke ebenfalls der Flut zum Opfer fiel.
Besonders schlimm aber trifft sie der Verlust vieler Erinnerungsstücke. "Wir haben jetzt kein einziges Foto mehr von meinem verstorbenen Vater." Lediglich ein Fotoalbum ihres bei einem Unfall ums Leben gekommenen Sohnes konnte sie in letzter Minute retten. "Das haben wir noch schnell im ersten Stock auf einen Kleiderschrank geworfen." Der Rest versank im Wasser, während Gabi Gasper und ihr Mann sich auf ein Fenstersims im Obergeschoss retteten, wo sie eine Nacht lang ausharrten. Die Angstzustände, die dieses traumatische Erlebnis auslöste, begleiteten Gabi Gasper durch das Jahr. "Jetzt wird es langsam besser. Ich finde allmählich zurück ins Leben."
Den Jahrestag der Flut wollten die meisten Altenburger still begehen, sagt Gabi Gasper. Geplant seien Kranzniederlegungen an den früheren Häusern der drei ertrunkenen Frauen aus dem Ort und eine Menschenkette rund um die Kapelle. Anschließend wollen die Dorfbewohner sich im Versorgungszelt zusammensetzen. Dort, in der neuen Ortsmitte, hat Gabi Gasper - ebenso wie vor ihrem abrissreifen Wohnhaus - mit gespendeten Blumen Beete angelegt, die sie regelmäßig pflegt. "Manche schütteln darüber den Kopf, aber mir tut es gut," sagt sie bestimmt und macht sich Mut: "Irgendwann wird es hier wieder schön."