Viel Platz und Sonne, eine lange Küste - "Brasilien hat ein enormes Potenzial für den Ausbau von Wind- und Solarenergie", sagt Camilla Oliveira, Projektleiterin Lateinamerika bei dem Thinktank Agora Energiewende. Nur an wenigen Orten auf der Welt können laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey erneuerbare Energien so günstig produziert werden wie in Brasilien.
In Zukunft könnte das nicht nur für die Energieversorgung vor Ort, sondern auch für Europa eine wichtige Rolle spielen: Denn Brasilien baut erneuerbare Energien nicht nur aus, um sie vor Ort zu nutzen, sondern bringt sich auch in Position, um in Zukunft grünen Wasserstoff zu exportieren.
Deutschland möchte bis 2050 klimaneutral werden, wird dafür aber nach aktuellen Einschätzungen noch weiter auf Energieimporte angewiesen sein. Nur sollen das in Zukunft nicht mehr fossile Brennstoffe wie Gas oder Kohle sein, sondern nachhaltig erzeugte, wie grüner Wasserstoff. Darunter versteht man Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Anders als bei der Herstellung von sogenanntem blauen, grauen oder türkisen Wasserstoff wird dabei kein CO2 in die Atmosphäre abgegeben.
Kein Strom aus dem regulären Netz
Nach Ansicht von Ansgar Pinkowski von der deutschen Außenhandelskammer in Rio de Janeiro hat grüner Wasserstoff aus Brasilien mehrere Vorteile. "Zum einen sind die geografischen Bedingungen für die Produktion hier sehr gut." Gerade im Nordosten, in Bundestaaten wie Bahia oder Ceará, gibt es riesige Flächen, die zur Gewinnung von Solar- und Windenergie genutzt werden können. Außerdem erreiche man Europa von Häfen in der Region wie Fortaleza in nur neun Tagen.
"Für die Produktion von grünem Wasserstoff soll aber keine Energie aus dem regulären brasilianischen Energienetz genutzt werden", betont Pinkowski. Die deutsche Energiewende soll nicht dafür sorgen, dass in Brasilien am Ende der Strom fehlt. Stattdessen sollen zusätzliche Kapazitäten ausgebaut werden. Brasilien greift bereits jetzt auf einen überwiegend grünen Energiemix zurück: Knapp 85 Prozent des Stroms kommt von erneuerbaren Energien, der größte Teil davon aus Wasserkraftwerken.
Hoffnung auf Arbeitsplätze
Zugleich setzt die brasilianische Industrie noch stark auf fossile Brennstoffe, - auch das könnte sich durch grünen Wasserstoff ändern. Brasilien hoffe darauf, dass der grüne Wasserstoff für Wirtschaftswachstum sorgt, sagt Pinkowski.
Gerade die nordöstlichen, sonnenreichen Regionen des Landes sind eher arm. Wenn durch grünen Wasserstoff dort Arbeitsplätze entstehen, wäre das auch ein sozialer Gewinn. Allerdings hat das Ganze noch einige Haken: Ein großer Teil der Technologien rund um den grünen Wasserstoff ist noch nicht marktreif, produziert wird der Brennstoff bisher hauptsächlich in Forschungseinrichtungen.
Oliveira von Agora Energiewende sieht aber noch andere Herausforderungen: "Das größte Problem ist, dass Brasilien noch keine Strategie hat, um das Angebot an erneuerbaren Energien für klimaneutralen Wasserstoff auszubauen", sagt sie. Der Anteil von Windkraft an der Stromerzeugung mit 12 Prozent und der Anteil der Solarkraft mit 2,5 Prozent seien vergleichsweise gering; und derzeit baue Brasilien vor allem fossile Kraftwerke aus, die nicht für die klimaneutrale Energiegewinnung geeignet seien.
Herstellung noch teuer
Aus der Sicht von Agora ist es darum wichtig, dass die Europäische Union genaue Kriterien festlegt, was erneuerbaren Wasserstoff ausmacht, damit bei seiner Produktion in Brasilien keine zusätzlichen Treibhausgase ausgestoßen werden.
Außerdem ist grüner Wasserstoff in der Herstellung aktuell noch deutlich teurer als andere Energieträger. Das gilt auch für Brasilien: Zwar investiert die Bundesregierung mit dem Programm H2 Brasil in Innovationsprogramme vor Ort. Aktuell gibt es aber noch keine einzige Anlage, die in Brasilien grünen Wasserstoff herstellt. Ab wann tatsächlich Wasserstoff in größeren Mengen von Brasilien exportiert werden könnten, ist noch offen.