Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Hilfe Dritter bei der Selbsttötung grundsätzlich zulässig. Es kassierte 2020 das Verbot sogenannter geschäftsmäßiger, also organisierter Suizidassistenz.
Gerungen wird nun um ein Gesetz, das die Selbstbestimmung nicht beschneidet, zugleich aber Missbrauch ausschließt. Dem Parlament liegen drei Vorschläge vor, die jeweils von Abgeordneten aus verschiedenen Parteien unterstützt werden.
Alle drei sehen eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vor, um erstmals eine Abgabe todbringender Medikamente zum Zweck eines Suizids zu erlauben. Für die Abgabe formulieren sie aber unterschiedliche Bedingungen. Das sind die Vorschläge:
Geschäftsmäßige Suizidassistenz verbieten
Eine Gruppe von Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (Linke) schlägt erneut ein Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe bei der Selbsttötung vor. Unter bestimmten Bedingungen soll sie aber straffrei bleiben. Die Regelung wäre damit der zum Schwangerschaftsabbruch ähnlich.
Zu den Bedingungen zählen laut dem Entwurf der Gruppe unter anderem zwei Untersuchungen durch einen Psychiater oder einen Psychotherapeuten mit einem Abstand von mindestens drei Monaten. Dabei soll festgestellt werden, ob die Entscheidung aus freiem Willen erfolgt. Die Gruppe fordert außerdem eine Ausweitung der Suizidprävention und der Versorgung mit Palliativmedizin. Der assistierte Suizid dürfe nicht als Alternative anderer Versorgungsdefizite dienen, heißt es in dem zusätzlichen Antrag. Der Gesetzentwurf dieser Gruppe wird derzeit von rund 100 Abgeordneten unterstützt.
Recht auf Suizidassistenz nach Beratung
Der Entwurf der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Helge Lindh (SPD), Petra Sitte (Linke) und Till Steffen (Grüne) legt den Akzent auf die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben: "Jeder, der aus autonom gebildetem freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen", heißt es darin. Ein strafrechtlich verankertes Verbot bestimmter Formen der Suizidassistenz etwa durch umstrittene Sterbehilfeorganisationen lehnt die Gruppe ab.
Um den freien Willen der Entscheidung zu dokumentieren, würde ihre Regelung von den Sterbewilligen eine Beratung verlangen, die über Bedeutung, Tragweite und Folgen eines fehlgeschlagenen Suizidversuchs sowie Alternativen aufklären soll. Die Länder müssten nach ihrem Entwurf ein Angebot an entsprechenden wohnortnahen Beratungsstellen sicherstellen. Knapp 70 Abgeordnete haben diesen Vorschlag unterzeichnet.
Arzt entscheidet in medizinischer Notlage
Auch der Entwurf der Parlamentarierinnen Renate Künast (Grüne) und Nina Scheer (SPD) stellt das durch das Bundesverfassungsgericht festgestellte Recht auf selbstbestimmtes Sterben ins Zentrum. Künast und Keul schlagen vor, dass in einer medizinischen Notlage der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin eines Sterbewilligen entscheidet, ob ein tödlich wirkendes Mittel verschrieben wird, das der Betroffene selbst einnehmen müsste.
Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass nach medizinischer Einschätzung freier Wille ausschlaggebend für die Entscheidung und der Sterbewunsch absehbar nicht mehr veränderlich ist. Zudem muss ein zweiter Arzt die Einschätzung schriftlich bestätigen. Sterbewillige, bei denen keine schwere Krankheit vorliegt, sollen eine Beratung durchlaufen und ihren Sterbewunsch gegenüber der zuständigen Landesstelle erklären. Sie würde nach Prüfung den Zugang zum entsprechenden Mittel gewähren. Wird es nicht binnen eines Jahres genommen, muss das Mittel zurückgegeben werden. Diesen Vorschlag haben 46 Abgeordnete mitgezeichnet.
Verbände fordern wirkungsvolle Prävention
Mehrere Verbände haben vor der Beratung über eine mögliche Neuregelung der Hilfe beim Suizid ein Gesetz zur Verhinderung von Selbsttötungen gefordert. Vor der Sterbehilferegelung müsse Suizidprävention gesetzlich verankert werden, forderten unter anderem der Deutsche Hospiz- und Palliativverband und die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention am Donnerstag in Berlin. "Wir müssen erst einmal Bremsen bauen, bevor wir das Auto losfahren lassen", sagte die Vorsitzende der Gesellschaft für Suizidprävention, Ute Lewitzka.
Auch die Wohlfahrtsverbände der Kirchen, Diakonie und Caritas, erneuerten ihre Forderung nach einem Gesetz zur Suizidprävention. "Das Parlament muss jetzt gesetzliche Regulierungen gestalten, um zu verhindern, dass Menschen in Erklärungsnot geraten, indem sie sich mit Suizidangeboten konfrontiert sehen", sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. "Ein Suizidpräventionsgesetz ist unbedingt erforderlich und wäre ein starkes gesellschaftliches Zeichen des Parlaments für eine angemessene Balance von Lebensschutz und Selbstbestimmung", erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.