Bei Krimis mit komödiantischem Einschlag birgt die Erwartungsdruck prompt die Gefahr, dass Buch und Regie überziehen. Irgendwann sind die Geschichten dann bloß noch ein Vorwand für die witzigen Dialogduelle der beiden Hauptfiguren. Unter diesem Comedy-Syndrom leidet gelegentlich der "Tatort" aus Münster; das Etikett "Schmunzelkrimi" klingt nur bedingt erstrebenswert. Die 2016 gestartete deutsch-österreichische Koproduktion "Die Toten von Salzburg" hätte sich ebenfalls in diese Richtung entwickeln, weil das zentrale Duo genauso auf gegenseitigen Krawall gebürstet ist, zumal die Geschichten gern von ähnlicher Skurrilität sind.
In der Tat erweckt die heute wiederholte dritte Episode, "Königsmord" (2018), mitunter den Eindruck, als zeigten einige durchgängige Merkmale bereits erste Abnutzungserscheinungen: die Rivalität zwischen dem notorisch schlecht gelaunten deutschen Hauptkommissar Hubert Mur (Michael Fitz) und seinem Salzburger Kollegen, BKA-Major Peter Palfinger (Florian Teichtmeister), der seit einem Gleitschirmunfall im Rollstuhl sitzt, in einem Kloster lebt und auf Mitgefühl mit Zynismus reagiert; die Zwischenspiele mit Palfingers Chef Seywald (Erwin Steinhauer), der mehr Zeit im Caféhaus als an seinem Schreibtisch verbringt; die Auseinandersetzungen zwischen dem Major und seinem Bruder Sebastian (Simon Hatzl), einem Priester, der dem verbitterten Polizisten zu neuem Lebensmut verhelfen will und daher gern Begegnungen mit weiblichen Bekanntschaften arrangiert. Dass das zentrale Motiv der Handlung die Aufklärung eines Mordes ist, kann da leicht vorübergehend in Vergessenheit geraten.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Trotzdem ist auch "Königsmord" eine kurzweilige Kombination aus Krimi und Komödie: weil Stefan Brunner, bereits Koautor der zweiten Episode ("Zeugenmord"), und Erhard Riedlsperger, der auch die beiden anderen Filme inszeniert hat, die Zutaten ausgewogen gemischt haben. Ähnlich wie beim "Tatort" aus Münster könnte die kriminalistische Ebene zwar auch ohne die heiteren Momente funktionieren, würde dann aber vermutlich bloß für eine Vorabendfolge reichen.
Der Titel bezieht sich auf den "Würschtlkönig", der in seinem Salzburger Domizil erstochen worden ist. Offenbar war ein kleiner bulgarischer Junge, den der Unternehmer bei sich aufgenommen hatte, Zeuge des Mordes, aber Tyki ist spurlos verschwunden. Weil Gschwandtner "bayerischer Staatsbürger" war, muss Palfinger wohl oder übel wieder mit Mur zusammenarbeiten. Der ist zunächst zwar ungewohnt gut drauf, weil er eigentlich frei hat, um sich um seine Tochter zu kümmern, kriegt aber später gewaltigen Ärger, als seine Exfrau rausfindet, dass er die kleine Theresa mit zum Tatort genommen hat.
Die Szenen mit dem Mädchen haben offenkundig den Zweck, dass Grantler Mur diesmal auch liebenswerte Seiten zeigen darf. Bei Palfinger klappt das ebenfalls: Als Tyki, ein niedlicher sechsjähriger Lockenkopf, später wieder auftaucht, nimmt der Major den Jungen unter seine Fittiche; in der lustigsten Szene des Films treiben die beiden Unfug in der Rechtsmedizin. Prompt ist auch der Umgang der beiden Polizisten miteinander freundlicher als bislang. Sie werfen sich zwar nach wie vor allerlei Gemeinheiten an den Kopf, aber immerhin vertraut Mur dem Kollegen an, dass seine Frau ihm den Umgang mit Theresa verbieten lassen will.
Natürlich suchen die von Palfingers Mitarbeiterin Russmeyer (Fanny Krausz) unterstützten Ermittler in erster Linie nach dem Mörder, aber diese Ebene des Films orientiert sich an den üblichen Krimimustern. Erster Verdächtiger ist ein Mann, der überzeugt ist, Gschwandtners Würste hätten den Tod seines Vaters verursacht. Typische Krimifiguren sind auch die Profiteure des Todesfalls, allen voran die Witwe (Martina Stilp): Sie war alles anderes als begeistert über die Aussicht, das Erbe ihres deutlich älteren Ehemanns dereinst mit zwei "Zigeunerkindern" teilen zu müssen, denn der Gatte hatte die feste Absicht, Tyki und seine 16jährige Schwester Liana zu adoptieren. Darüber hinaus hat sie ein Verhältnis mit dem Geschäftsführer des Unternehmens, der überdies eine ordentliche Summe veruntreut hat; und Liana hat nach der Tat sein Auto davonfahren gesehen. Bei so vielen Indizien ist völlig klar, dass der Mann nicht der Mörder ist.
Das Drumherum ist ohnehin interessanter; Brunner und Riedlsperger haben aus gutem Grund dafür gesorgt, dass die mit diversen Schleifen versehene Verpackung vergessen lässt, wie überschaubar der kriminalistische Inhalt ist. Den Rest besorgt die Inszenierung; selbst der übliche Rapport beim Vorgesetzten, der in allen Krimis ausschließlich der Information des Publikums dient, ist dank der amüsanten Inszenierung vorwiegend heiter. Dafür sorgt nicht zuletzt Erwin Steinhauer.
Seywald empfängt seine Mitarbeiter selbstredend im Café. Da das Mordopfer ein angesehenes Mitglied der Salzburger High Society war, sollen die Ermittlungen nach Möglichkeit nicht mal ein Staubkorn aufwirbeln. Außerdem fordert eine Assam-Krise die ganze Aufmerksamkeit des Hofrats: Sein Stammlokal führt den Tee nicht mehr. Den entsprechenden Running Gag nutzt Helmut Bohatsch in der winzigen Rolle als Kellner "Herr Wolfgang" regelmäßig für große Auftritte. Neben den Dialogduellen von Fitz und Teichtmeister, die aber längst nicht so auf Kalauer ausgerichtet sind wie die Frotzeleien im "Tatort" aus Münster, sind es vor allem diese zum Teil auch schwarzhumorigen Details, die "Königsmord" zu einem runden Vergnügen machen.