Darf ein Beichtkind seinen Beichtvater wechseln? Der Ansbacher Hofprediger Christoph Christian Händel beantwortet diese Frage im Jahr 1709 mit Nein und zettelt damit eine Theologen-Diskussion an. "Die ganze Sache ging viral, würde man heute sagen", erklärt Archivar Daniel Burger. Denn Händels Beichtkind war der Landesherr, der Markgraf Wilhelm Friedrich, der Händel entlassen hatte. Die Sache endet für den evangelischen Pfarrer gar nicht gut - nämlich mit lebenslanger Haft auf der Wülzburg.
In der Ausstellung "Akt und Gesangbuch" im Nürnberger Landeskirchlichen Archiv geht es um das Verhältnis von Kirche und Staat in Mittelfranken in vielfältiger Weise und der Fall Händel zeigt, dass es zwischen den beiden in absolutistischen Zeiten keine Grenze gibt: Der Landesherr sagt dem Pfarrer, wo es langgeht.
Im landeskirchlichen Archiv in Nürnberg sind derzeit Kirche und Staat vereint. Denn in den Magazinen des modernen Archivbaus der evangelischen Landeskirche am Wöhrder See haben die älteren Archivalien des Nürnberger Staatsarchivs Asyl bekommen, solange das Staatsarchiv-Gebäude in der Nürnberger Nordstadt saniert wird.
Andrea Schwarz, bis vor kurzem Leiterin des landeskirchlichen Archivs, und ihr Mann Christan Kruse, Leiter des Staatsarchiv, hatten die Idee, anhand von Konflikten zwischen Staat und Kirche eine Ausstellung zusammenzustellen, erklärt Kruse. Und diese Konflikte liegen zwischen der Reformationszeit und dem Heute.
Kruse erzählt unter anderem mit Hilfe eines Druckes aus dem Jahr 1525 die Geschichte des Andreas Stoß (um 1480 bis 1540) nach, einem Sohn des Bildhauers Veit Stoß. Andreas Stoß ist Karmelitenprior und bleibt in der inzwischen reformierten Stadt Nürnberg bei katholischen Positionen. Die Folge für ihn: Wegen solcher "verdrossner Rede" beschließt der Rat, den Prior der Stadt zu verweisen. "Und das steht alles in fünf bis sechs banalen Zeilen", zeigt Kruse auf einen Eintrag im "Amtsbuch" der Stadt vom 17. März 1525.
Daniel Schönwald vom landeskirchlichen Archiv hat ein staatlich-kirchliches Zusammenspiel aus dem 19. Jahrhundert aufbereitet. Die Pfarrer übernahmen die hoheitliche Tätigkeit, die Impfbücher zu führen, zeigt er auf eine Liste, die der Pfarrer von Feucht führte. Wie alle Geistlichen wollte der Staat auch von ihm, dass er "in Reden und Vorträgen die Impfung als Wohltat für das Menschengeschlecht" lobte. Im Jahr 1801 brachen in Windsbach die Pocken aus. Auch die Ansteckungen hier, "die Seuch fieng hier im May an und dauerte bis in die Mitte des Decembers", dokumentierte der Pfarrer.
Das gewachsene Bündnis von "Thron und Altar" war in der Weimarer Republik passé. Viele Evangelische hätten aber die neuen Verhältnisse als zu modern und gottlos empfunden, erklärt Andrea Schwarz im über 100 Seiten starken Ausstellungskatalog. Von der Sehnsucht nach der "guten alten Zeit" sei es dann für viele nur ein kleiner Schritt zum Akzeptieren der Nationalsozialisten gewesen. Es gab in Lauf den Pfarrer, der bereits 1930 eine NS-Fahne weihte, dafür aber vom Dekan gerügt wurde. Aber es gab auch den Pfarrer von Kalbensteinberg (Dekanat Gunzenhausen), der bei der Beerdigung eines SA-Mitglieds nicht den Posaunenchor spielen lassen wollte. Oder Waldemar Schmidt, Pfarrer in Wald (Stadt Gunzenhausen), der in Haft ging, weil er in einer Predigt für den Amtskollegen Martin Niemöller einen fairen Prozess gefordert hatte.
Und in welchen Akten begegnen sich heute Kirche und Staat in spannender Weise? Zum Beispiel im Denkmalschutz, zeigt die Ausstellung am Beispiel der Kirchenbibliothek in Neustadt/Aisch, wo über 2.000 Bücher - darunter sehr wertvolle, 500 Jahre alte Handschriften - in einem Raum über der Sakristei der Kirche aufbewahrt wurden. Den kirchlichen Bestand stellte der Staat unter Denkmalschutz.
Aber auch im Bereich Flüchtlingspolitik treffen heute Staat und Kirchen aufeinander - beim Kirchenasyl. Zu sehen ist in der Ausstellung der Brief der Kirchengemeinde Feucht, die eine christliche türkische Familie bei sich aufnimmt. Die Landessynode, auch dies ist dokumentiert, würdigt 2014 solche Gemeinden: Deren Kernanliegen, die humanitäre Hilfe für Menschen, sei kein Affront gegen das Recht, sondern Dienst am Recht.