Kinder lagen Sybille van Schoor schon immer am Herzen. Die 77-Jährige vermittelt im Auftrag des Kinder- und des Seniorenbüros Karlsruhe seit 26 Jahren "Leih-Omas". Das sind Seniorinnen, die regelmäßig zwei bis drei Stunden Zeit mit Kindern anderer Familien verbringen. "Sie machen der Familie ein Zeitgeschenk und bekommen dafür die Freude mit dem Kind", sagt die gelernte Heilpädagogin.
Die Gründe, warum sich junge Eltern eine "Leih-Oma" für ihr Kind wünschen, sind vielfältig: die Erinnerung an die eigenen Großeltern, die Zeit hatten, Geschichten zu erzählen, die räumliche Entfernung zum Wohnort der echten Großeltern, der Wunsch nach Kontakt zur älteren Generation oder nach einem "freien" Nachmittag. Manchmal sind die blutsverwandten Großeltern auch schlichtweg zu alt und trauen sich eine Kinderbetreuung nicht mehr zu.
Es geht um Beziehung statt Geld
"Leih-Oma" ist kein Job wie etwa Babysitter. In einigen Städten gibt es eine Aufwandsentschädigung für die Seniorinnen und Senioren, in anderen fließt kein Geld. Im Vordergrund steht die feste Bindung zum Kind und seiner Familie. Van Schoor spricht von einer "anderen Erwartungshaltung". Mit der "Leih-Oma" komme in Einzelfällen auch schon mal ein Fußball spielender "Leih-Opa" mit. "Die Opas sind bei den Kindern besonders beliebt", weiß die Vermittlerin.
"Ich bin mit den Kindern jung geblieben", beschreibt Adelheid Kohl aus Stuttgart, was die Betreuung ihrer zwei "Leihenkelinnen" mit ihr macht. Nach dem Ausstieg aus dem Beruf suchte die Alleinstehende eine neue Aufgabe. Sie fand sie vor zehn Jahren als "Leih-Oma". Einmal pro Woche sucht Kohl die zehn- und elfjährigen Mädchen auf, in Ausnahmefällen auch am Wochenende oder bei Bedarf.
"Da wächst etwas zusammen"
Ihre Lebenserfahrung half ihr, auch schwierige Phasen wie das Trotzalter der Kinder durchzustehen. Die "Leih-Oma" kennt "Freundinnen-Geheimnisse", weiß um Zoff unter den Geschwistern und genießt vielleicht gerade deswegen die Wertschätzung der Mädchen. "Da wächst etwas zusammen", sagt Kohl. Mit dem Älterwerden der Kinder verändert sich die Beziehung. Aus Vorlesenachmittagen werden Treffen in der Stadt zum gemeinsamen Eisessen.
"Gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen und die Eltern kurzzeitig etwa für einen Friseurbesuch zu unterstützen", war 1990 der Kerngedanke des Oma-Hilfsdienstes, den der damalige Pfarrer in Stuttgart-Feuerbach ins Leben rief, erinnert sich Erika Klug-Lang. "Die Grundidee ist heute noch dieselbe", sagt das Gründungsmitglied.
Der Bedarf an dem Oma-Hilfsdienst nimmt zu, bestätigen sowohl Klug-Lang als auch van Schoor. Auf 30 Familien kommen laut van Schoor zwei Seniorinnen, die sich melden. Von den "Leih-Omas" wird ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Über die Organisation eva besteht eine Versicherung und die Möglichkeit zum Austausch. Es gibt Fortbildungen mit Psychologen, Polizei oder dem Deutschen Roten Kreuz.
Im Laufe der Zeit haben sich die Ansprüche an den Oma-Hilfsdienst verändert. Schon Kleinkinder nehmen an Sportstunden teil, besuchen den Kindergarten oder lernen Ballett. Wenn beide Eltern arbeiten, ist es die "Leih-Oma", die die Kinder bringt, abholt und mit ihnen auf die Eltern wartet. "Es wird mehr Dienstleistung gewünscht als je zuvor", sagte Klug-Lang. Der Faszination für die Idee "Leih-Oma" tut diese Entwicklung keinen Abbruch.