Aus falsch verstandener Rücksichtnahme gegenüber den Angehörigen wünschten sich immer noch viele Menschen eine anonyme Bestattung, obwohl dies gar nicht nötig wäre, sagt der Geschäftsstellenleiter des Bestatterverbandes Bayern, Jörg Freudensprung, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hauptgrund sei erfahrungsgemäß, dass sie ihrer Familie nicht zur Last fallen wollten, etwa mit einer aufwändigen Grabpflege. Das sei meist aber völlig unbegründet.
Viele Angehörige fielen aus allen Wolken, wenn sie erfahren, dass der Verstorbene anonym bestattet werden wollte, berichtet Freudensprung aus seinem eigenen Berufsalltag. Solche Missverständnisse könnten schnell ausgeräumt werden, wenn man sich vor dem eigenen Ableben zusammensetze und Tod und Sterben aus der Tabuzone hole. Die Menschen versicherten sich gegen alle möglichen Eventualitäten, aber der Tod, "der zu 100 Prozent bei allen eintritt", werde immer noch tabuisiert und als Vorsorgethema ausgespart, bedauert Freudensprung.
Was viele dabei offenbar nicht bedenken: Grabstätten seien Orte für die Angehörigen zum Abschied nehmen. Für den Toten selbst spiele es letztlich keine Rolle mehr. Deshalb sei es so wichtig, die Angehörigen mit einzubeziehen, betont Freudensprung. Vielen Menschen sei es wichtig, die Angehörigen von Kosten und Grabpflege zu entlasten, vor allem, wenn die Familie weit verstreut lebe. Dafür gebe es inzwischen mehrere "pflegefreie" Bestattungsformen als Alternative zur anonymen Bestattung - etwa Urnenstelen, Baumbestattungen oder Erdgräber mit Namensplakette.
Anonyme Bestattungen sind die günstigste Bestattungsform und für Menschen ohne Angehörige gedacht. Eine Trauerfeier ist nicht vorgesehen, außerdem erfährt niemand, wo der Verstorbene genau begraben liegt. "Da ist ein Mensch nach einem langen Leben einfach weg", sagt Freudensprung. Das sei eine traurige Vorstellung, weshalb die Bestatter - auch wenn sie Dienstleister seien und Kundenwünsche erfüllen sollten - erfahrungsgemäß nachfragten, wenn jemand mit Familie eine anonyme Bestattung wünsche. Er empfehle der Person in solchen Fällen, nochmal mit der Familie zu sprechen, sagt Freudensprung.
Der Trend hin zu anonymen Bestattungen habe in den 1990er Jahren begonnen, als immer mehr junge Leute zum Studieren oder Arbeiten weiter weg oder gar ins Ausland gezogen seien, sagt Freudensprung. Zu der Zeit habe es auch kaum Alternativen zur traditionellen Erdbestattung gegeben. Inzwischen hätten aber die meisten Friedhöfe Alternativen im Angebot, für die es keine Pflege brauche.
Die Zahl der anonymen Bestattungen sei in Folge wieder deutlich zurückgegangen. Rund 70 Prozent der Bestattungen in Bayern seien inzwischen Feuerbestattungen, die Zahl der Erdbestattungen gehe immer mehr zurück. Wie viele anonyme Bestattungen es in Bayern pro Jahr gibt, ist nicht bekannt. Das Bayerische Landesamt für Statistik hat dazu kein Datenmaterial.