Forscherinnen und Forscher befürchten den unwiderruflichen Verlust der Artenvielfalt weltweit und rufen die Bundesregierung zum Handeln auf. "Der Verlust von Arten ist nicht rückholbar", sagte Johannes Vogel, Generaldirektor am Berliner Museum für Naturkunde, bei der Vorstellung einer Erklärung zu dem Thema am Donnerstag in Berlin. Darin fordert ein Bündnis aus Forschenden die Politik zu mehr Entschlossenheit auf. Um die biologische Vielfalt zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen, brauche es "mutige politische Schritte und eine fundamentale Transformation in der Gesellschaft", hieß es. Auch wegen der G7-Präsidentschaft komme Deutschland dabei eine herausragende Rolle zu.
"Wir können aus wissenschaftlicher Sicht eindeutig und klar sagen: Es gibt Möglichkeiten, etwas zu tun", sagte der Direktor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels, Bernhard Misof. Um wirkmächtige Maßnahmen zu ermöglichen, brauche es unter anderem konkrete Absichtserklärungen der G7-Staaten. "Es muss ein gemeinsamer Wille bestehen, wirklich etwas zu bewegen", unterstrich Misof.
In ihrer "Berliner Erklärung" fordern die Forscherinnen und Forscher außerdem mehr Gelder für internationale Artenschutzprogramme. Darüber hinaus müssten Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft national und international zusammenarbeiten. Deshalb sei es wichtig, dass der bereits mehrfach verschobene Weltnaturgipfel stattfinde. "Wir können es uns nicht leisten, dass dieser Gipfel noch einmal scheitert", warnte der Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner. Die Kosten, die aus jedem weiteren Warten entstünden, "werden unsere Kinder und Enkelkinder zu tragen haben".
"Zufriedenheit leidet unter verarmter Natur"
So müssten Lieferketten beispielsweise ökologisch und sozial nachhaltig sein, sagte Misof. Er kritisierte zugleich umweltschädliche Subventionen in Deutschland unter anderem in den Bereichen Verkehr, Energie und Gebäudeerrichtung: "Öffentliche Mittel müssen so eingesetzt werden, dass sie dem Erhalt der Natur und dem Klimaschutz dienen. Das sind keine so schweren Maßnahmen." Kein Land sei besser aufgestellt als Deutschland, um "hier wirklich was zu bewegen", sagte Misof.
Auch forderten die Forschenden in ihrer Erklärung "naturbasierte Lösungen" anzuwenden. Gemeint sind demnach Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Das menschliche Wohlergehen hänge direkt von der ökologischen Vielfalt ab, ergänzte Naturforscher Tockner. Eine Zunahme der Vielfalt in der Natur habe erwiesenermaßen ähnliche Auswirkungen auf das menschliche Wohlempfinden, "wie eine vergleichbare Erhöhung unseres Einkommens", fügte er hinzu. Die Lebenszufriedenheit der Menschen leide unter einer verarmten Natur.
Die sieben wichtigsten demokratischen Industriestaaten kommen Ende Juni in Bayern zum G7-Gipfel zusammen. Deutschland hat aktuell den Vorsitz inne. Ihre Erklärung veröffentlichten die Forschenden auch anlässlich der Unterzeichnung der ersten Internationalen Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt am 22. Mai 1992 in Rio.