Die Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden sagte am Freitag vor der in Emden tagenden Synode: "Wir alle müssen unser Bewusstsein verändern und unseren Blick schärfen. Wir müssen selbstkritisch - und auch tief traurig - anerkennen, dass ist und sein kann, was nicht sein darf."
Sexualisierte Gewalt wachse in Systemen des Schweigens und Wegschauens, sagte Bei der Wieden. Dies schütze die Täter und verunsichere die Opfer. Gerade in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen seien die Täter oft genau dadurch geschützt, weil der Missbrauch den Tätern oder Täterinnen aufgrund ihres kirchlichen Amtes nicht zugetraut und deshalb den Opfern nicht geglaubt werde.
Das neue Gesetz solle die Prävention stärken und das Vorgehen schon im Verdachtsfall klären, erläuterte der kirchliche Chefjurist Helge Johr. Dazu beschloss die reformierte Kirche eine neue Personalstelle, um Kirchengemeinden und Synodalverbände zu beraten und zu unterstützen. Die bundesweit neun Synodalverbände müssen künftig Missbrauchsbeauftragte benennen. Außerdem sind alle kirchlichen Einrichtungen verpflichtet, eigene Präventionskonzepte zu entwickeln.
Weiter müssen kirchlich Beschäftigte, einschließlich Pastorinnen und Pastoren, regelmäßig Fortbildungen zum Thema absolvieren. Johr betonte, dass schon Verdachtsfälle zwingend der Kirchenleitung und der Staatsanwaltschaft gemeldet werden müssen. Sollte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren, etwa wegen Verjährung, einstellen, sei es trotzdem im Rahmen des kirchlichen Disziplinarrechts möglich, Täter zu belangen. Das Strafmaß reiche von der Ermahnung über Bußgelder bis zur Entfernung aus dem Dienst.
Zur Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer gehören rund 165.400 Mitglieder in 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu.
Reformierte gehen Klimakrise an
Die Evangelisch-reformierte Kirche will die Klimakrise angehen. Das Kirchenparlament verabschiedete am Freitag in Emden ein 170 Seiten starkes Klimaschutzkonzept. Die Synode strebt an, sämtliche Treibhausgas-Emissionen der Kirche bis 2035 um 90 Prozent zu senken. Bis zum Jahr 2045 sollen auch die fehlenden zehn Prozent folgen. "Wir werden neu lernen müssen, unsere Ressourcen - auch unsere Gebäude - miteinander zu teilen", sagte Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden. Auch die Aufgabe von kirchlichen Gebäuden dürfe kein Tabu sein.
Rund drei Viertel der Emissionen von jährlich rund 5.000 Tonnen Treibhausgase stammten aus den Gebäuden der Kirche, erläuterte Vizepräsident Helge Johr. Allein 1.600 Tonnen gingen auf die sakralen Gebäude wie Kirchen und Kapellen zurück. Der Rest verteile sich auf Pfarrhäuser, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Mobilität und Beschaffung.
Das Konzept sei noch kein Gesetz und gebe auch noch keine klaren Zielpunkte vor, sagte die Kirchenpräsidentin. Viele Gebäude der reformierten Kirche seien denkmalgeschützt, so dass energetische Maßnahmen eine echte Herausforderung seien. Hinzu komme die Selbstständigkeit der Gemeinden. Diese müssten vor Ort das Problem angehen. Die Kirchenverwaltung biete dazu ihre Expertise und Unterstützung an.
Bei der Wieden betonte, der Klimaschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die auch die Kirchen eingebunden seien. Zudem gebe es den klaren theologischen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung.
Als erste Maßnahmen beschloss die Synode, künftig auf ausgedruckte Synodenunterlagen zu verzichten und diese nur noch digital in einer Kirchen-Cloud einzustellen. Zudem soll bei künftigen Synoden nur noch vegetarisches Essen angeboten werden.
Friedensprozess im Nahost-Konflikt fördern
Die Evangelisch-reformierte Kirche hat sich ein Positionspapier zur Versöhnung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu eigen gemacht. Der Text mit dem Titel "Israel - Palästina - Leitgedanken und Thesen" beinhalte Leitgedanken für einen konstruktiven Diskurs, erläuterte die Kirchenpräsidentin. Hintergrund sei die aktuelle Debatte über wachsenden Antisemitismus sowie die kontroversen Auseinandersetzungen in Deutschland und innerhalb der weltweiten Kirchengemeinschaft über den Nahostkonflikt. Das Papier wurde gemeinsam von den evangelischen Landeskirchen der Pfalz, Hessen-Nassau, Baden, Rheinland und Westfalen verfasst.
Der Text betont die besondere Verbundenheit der christlichen Kirchen mit dem Judentum und dem Staat Israel und unterstützt zugleich das Streben der Palästinenser nach staatlicher Souveränität. Einen umfassenden Waren-Boykott wegen der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten lehnen die Kirchen ab. Zudem dürfe Religion nicht zur Legitimierung von politischen Machtansprüchen missbraucht werden.