Prachtvolle Orgeln, große Chöre und jahrhundertealte Traditionen: Musik hat die Menschen und die Landschaft an der Weser schon immer geprägt. Das spiegelt sich auch in weltbekannten Märchen wie den Bremer Stadtmusikanten, die mit ihrem "Gesang" Räuber in die Flucht schlagen. Oder in der Erzählung über den Rattenfänger von Hameln, der nach einer Sage der Brüder Grimm unter Flötenklängen die Kinder der Oberweser-Stadt entführt. Bei den ersten Weserfestspielen ab Mitte Mai steht auch die Musik im Mittelpunkt. Aber diesmal nicht düster-dramatisch wie beim Rattenfänger, sondern hell und heiter.
Mit mehr als 100 kirchenmusikalischen Veranstaltungen zwischen Weserbergland und Nordsee will die hannoversche Landeskirche vom 14. Mai bis zum 6. Juni die ganze Vielfalt ihrer Kirchenmusik präsentieren.
Als blaues Band verbindet dabei die Weser auf einer Länge von gut 451 Kilometern insgesamt 83 Veranstaltungsorte. Los geht es im südniedersächsischen Hannoversch Münden, "wo Werra sich und Fulda küssen", wie auf einem Gedenkstein auf einer Insel mitten im Fluss zu lesen ist.
Dort entsteht durch diese Vereinigung die Weser, die von Deutschlands beliebtestem Radfernweg begleitet wird. Auf einer gut ausgeschilderten Strecke rollen die Räder durch Landschaften, Regionen und Städte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vorbei an beschaulichen Fachwerkstädtchen, trutzigen Burgen, verspielten Schlössern und weiten Feldern führt die Route bis zur Küste, wo bei Bremerhaven das Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer beginnt.
Eine Vielfalt, die sich auch in einem abwechslungsreichen Musikfestival ausdrücken soll. Die Angebote reichen von Gregorianik über Gospel bis zur Tango-Messe und lassen 500 Jahre Musikgeschichte lebendig werden. In Konzerten, Musikgottesdiensten, Mitmachaktionen, musikalischen Radtouren und experimentellen Projekten entstehe "eine Visitenkarte der Kirchenmusik", beschreibt es Mitinitiatorin Silke Lindenschmidt: "Die Bandbreite reicht von frühen Werken der Renaissance bis zu aktuellen Kompositionen, die extra für die Festspiele entstanden sind."
Mehrfach verschoben
Eigentlich sollte das Festival schon 2020 starten, musste aber aufgrund der Corona-Pandemie mehrfach verschoben werden. "Zusammen mit 140 Profis und über 3.000 Neben- und Ehrenamtlichen freuen wir uns jetzt auf dreieinhalb Wochen voller besonderer Musikerlebnisse", bekräftigt Lindenschmidts Kollege Ulf Pankoke.
Auf sechs teils mehrtägigen Radtouren lässt sich die musikalische Vielfalt in Verbindung mit Landschaft und Menschen entdecken. Wer mag, kann dabei noch einen Abstecher auf die Deutsche Märchenstraße machen, die in Niedersachsen und Bremen in großen Teilen der Weser folgt. Zu den märchenhaften Ausflugszielen gehören der Frau-Holle-Pfad in Hannoversch Münden, der Aschenputtelort Polle mit seiner ausschließlich von der Strömung angetriebenen Gierseilfähre, die Rattenfängerstadt Hameln und natürlich die Stadtmusikanten in Bremen.
Mit musikalischen Radtouren, Picknick-Konzerten, Schiffs- und Fährenfahrten werde der Kirchenmusikgenuss zu einem sommerlichen Freizeitvergnügen, versprechen die Organisatoren. Wer will, kann vielerorts selbst aktiv werden, wirbt Lindenschmidt: "Das Angebot reicht vom Abendlieder-Singen am Weserufer über interaktive Klanginstallationen bis zu Bachkantaten oder Gospelgottesdiensten."
Die Schirmherrschaft der Festspiele hat der evangelische hannoversche Landesbischof Ralf Meister übernommen, der nicht nur von der Vielfalt im Festival-Programm schwärmt. "Kirchenmusik und Kultur sind gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je", sagt der Theologe. "Musik kann Trost spenden, uns aktivieren, aus mancher Gedämpftheit herausholen, Kreativität freisetzen und Gemeinschaft vermitteln."