Als am Gründonnerstag auf dem Hamburger Kiez so langsam das Partyleben erwachte, zeigte sich vor der berühmten Davidwache ein ungewohntes Bild: zwei Klappstühle auf Fußmatten mit jeweils einer großen Schüssel Wasser davor, stapelweise kleine Handtücher und Bio-Seife. Es dauerte nicht lange, und schon saßen die ersten Partygänger und lösten ihre Schnürsenkel. Denn die "Pop-up Church" bot biblische Fußwaschungen an. Zehn Geistliche aus verschiedenen Hamburger Gemeinden hatten sich für die ungewöhnliche Aktion zusammengetan.
"Es wird gut angenommen", freut sich die Pastorin Angelika Gogolin. "Die Menschen bleiben stehen und gucken, und entweder spreche ich sie an oder sie fragen neugierig, was wir hier machen." Gogolin unterhält sich unverkrampft mit den Kiez-Besuchern und Passanten. Sie trägt "Doc Martens"-Stiefel und über dem Talar eine schwarze Lederjacke mit Stola in Regenbogenfarben. Einigen bietet sie nur ein Bonbon oder Abwasch-Tattoo an. Wer nachfragt, dem erzählt sie von Jesus.
Hintergrund ist die biblische Erzählung aus dem Johannes-Evangelium, nach der Jesus einen Tag vor seinem Kreuzestod seinen Jüngern die Füße gewaschen hat. Heute wird dieses Ritual meist in katholischen und freikirchlichen Gemeinden praktiziert. Bei evangelischen Christen werde es leider etwas vernachlässigt, sagte Matti Schindehütte, Pastor aus Großhansdorf. Doch das wollten sie mit der Aktion auf der Reeperbahn ändern. "Gott will uns nah sein, auch durch Berührung."
Moritz Eigenauer aus Rostock ist gerade 18 geworden und will mit drei Freunden auf dem Kiez feiern. "Mit Kirche hab ich nichts am Hut", sagt er. "Aber es tat erstaunlich gut, und die Leute waren nett." Er nehme das als "lustige Anekdote" aus seinem Hamburg-Besuch mit nach Hause. Auch seine Kumpels ließen sich die Füße waschen und plauderten mit den Pastorinnen.
Auf der zentralen Kreuzung mitten auf der Reeperbahn lockten die Lichterketten an den Klappstühlen und Live-Musik viele Menschen an: jung und alt, angetrunken und nüchtern - die Interessierten waren bunt gemischt. Kirchenmusiker Jan Keßler spielte moderne Pop-Songs zum Mitsingen: Liebes- und Friedenslieder von Bosse bis zu den Toten Hosen.
Die Aktion ging über die geplante Zeit hinaus bis in den späten Abend. Am Ende seien die 40 frischen Handtücher aufgebraucht gewesen, sagte Gogolin dem epd am Karfreitag. "Wir haben alles aus Stoff genommen, was noch nicht benutzt war." Anschließend seien sie in kleiner Gruppe noch in eine Bar gegangen, um Resumée zu ziehen. Alle seien sich einig gewesen, dass sie mit so einer guten Resonanz nicht gerechnet hatten, so die Pastorin. Viele Menschen seien gerührt gewesen, als sie den Segen bekamen.
Manche hätten sich mit einem Pastor in eine ruhige Ecke zurückgezogen und intensive Gespräche geführt. "Wir wollten mit dieser Aktion Liebe und Frieden weitergeben - und genau so hat es sich auch angefühlt", sagte Gogolin.