Moderne Passionsspiele als Live-Spektakel für ein Millionenpublikum: Unter dem Titel "Die Passion" inszeniert RTL am Mittwoch vor Ostern mit viel Aufwand und Prominenz die Geschichte von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. Die letzten Tage im Leben von Jesus Christus werden mit bekannten Pop- und Show-Stars auf einer großen Bühne in der Revierstadt Essen nachgespielt und zur besten Sendezeit ab 20.15 Uhr live im Fernsehen gezeigt. Als Erzähler und Moderator führt Showmaster Thomas Gottschalk auf dem Burgplatz direkt neben dem Dom durch die Veranstaltung.
Die Hauptrolle als Jesus übernimmt der Sänger, Musicaldarsteller und Schauspieler Alexander Klaws, Sieger der ersten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". Zudem sind Ella Endlich als Maria, Laith Al-Deen als Petrus, Mark Keller als Judas und Henning Baum als Pontius Pilatus zu sehen. Weitere prominente Mitwirkende sind Samuel Koch, Gil Ofarim, Reiner Calmund, Nelson Müller, Ingolf Lück, Rebecca Siemoneit-Barum und Tanja Szewczenko. Ursprünglich war die Aufführung für 2020 geplant, sie wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben.
Erzählt wird die Passions- und Ostergeschichte nach Angaben des Privatsenders anhand von aufgezeichneten Einspielern, die an Schauplätzen in Essen produziert wurden. Mithilfe deutscher Popsongs werden die Geschehnisse in die heutige Zeit transportiert. Auf der Hauptbühne werden die Sänger musikalisch von einer Band und einem Chor unterstützt. Zeitgleich zur Inszenierung auf der Bühne wird in einer Prozession ein großes, leuchtendes Kreuz vom Stadtteil Rüttenscheid zum Finale auf dem Burgplatz getragen.
Mit der Veranstaltung wolle RTL Haltung zeigen, betonte Kai Sturm, RTL-Bereichsleiter Entwicklung, bei der Vorstellung des Projekts. "Die Grundgedanken der Passionsgeschichte gehen weit über einen rein religiösen Hintergrund hinaus und handeln von universellen und zeitlosen menschlichen Themen." Hier gehe es um Respekt und Liebe für den Nächsten - unabhängig von Herkunft und Religion.
Event soll Ostergeschichte bekannt machen
Das erzählerische Konzept übernahm RTL vom niederländischen Fernsehen. Dort ist das Event schon seit zwölf Jahren zu Ostern fest im Programm. Auslöser war eine Umfrage von 2007, nach der weniger als 30 Prozent der niederländischen Bevölkerung die Ostergeschichte kannten, wie der Erfinder des Formats, Produzent und Regisseur Jacco Doornbos sagte. Einige Jahre später seien es dank des jährlichen TV-Events mit Top-Einschaltquoten bereits 56 Prozent gewesen. Aufführungsorte waren unter anderem Rotterdam, Enschede, Amersfoort, Den Haag, Amsterdam und zuletzt Roermond.
Die Kirchen sehen "Die Passion" als Chance und unterstützen sie mit eigenen Aktivitäten. So schlägt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vor, sich das TV-Event in Gemeinden oder Hauskreisen gemeinsam anzuschauen, und hat dafür Materialien entwickelt. Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen sieht das geplante RTL-Live-Event "Die Passion" in Essen als Chance, die Ostergeschichte neu zu interpretieren. Die Passionsgeschichte von Leiden, Sterben und Auferstehung Christi sei nicht Eigentum der Kirche, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir erleben, dass wir als Kirchen nicht mehr unhinterfragt die Interpretations- und Deutungshoheit haben, und das müssen wir auch gar nicht."
Der Kölner Privatsender RTL ist nach Beobachtung des EKD-Kulturbeauftragten schon seit einiger Zeit um mehr Qualität bemüht. Von daher sehe er das geplante Live-TV-Event in der Karwoche als einen "bedeutsamen Versuch, die Passionsgeschichte unter den Bedingungen einer spätmodernen Popularkultur im Fernsehen und nicht nur dort zu präsentieren". Es sei "ziemlich anspruchsvoll", die alte Geschichte neu zu erzählen. Zugleich gebe es dafür bewährte Muster und Vorbilder wie die beliebten Oberammergauer Passionsspiele.
Der Theologe begrüßte das Engagement der evangelischen und katholischen Kirchen sowohl vor Ort als auch bundesweit, Begleitprogramme für die Open-Air-Veranstaltung am Essener Dom und eine zeitgleiche Kreuzesprozession anzubieten. Durch begleitende seelsorgliche Angebote und Begegnungen in Gemeinden vor Ort sei das Fernseh-Event eine vielschichtige "Hybridveranstaltung". Die Kirchen sollten sich "als kompetente Gesprächspartner ins Spiel bringen" und nicht als Trittbrettfahrer fühlen, rät Claussen: "Auf einen guten Zug kann man gerne aufspringen."
"Die größte Geschichte aller Zeiten"
Angesichts einer plakativen RTL-Werbekampagne mit Jesus als strahlendem Superhelden unter dem Motto "Die größte Geschichte aller Zeiten" mahnte der Leiter des Berliner Kulturbüros der EKD jedoch auch eine kritische Begleitung an. Knalleffekte seien wichtig, um massenwirksam zu sein, aber es dürfe nicht zum Bild eines "heldischen Christus" wie im Nationalsozialismus kommen. Zudem sei die Passionsgeschichte immer auch in Gefahr, antijüdisch ausgelegt zu werden. Beides müsse bei einer möglichen Evaluation mit bedacht werden.
Claussen erinnerte zudem daran, dass Ostern Ausdruck für "das Verletzliche, das Zarte und das Verstummende" sei. In Zeiten von Krieg und Corona, die "die Verletzlichkeit und Gefährdung unseres Lebens" verdeutlicht hätten, seien aktuell auch diese Aspekte der biblischen Erzählung besonders wichtig. Zu Ostern gehe es um eine Hoffnungsperspektive und darum, zu zeigen, "dass wir solidarisch sind mit Menschen, die leiden".
Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste im Diakonischen Werk der EKD, das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken und die Deutsche Bibelgesellschaft sowie weitere Partner werben für die Veranstaltung mit einer eigenen Webseite. Auf www.die-passion-erleben.de finden sich zudem Hintergrundinformationen zur Bedeutung von Passion und Ostern für Christen und ein Link zur Passionsgeschichte in der Bibel. Am Aufführungsort Essen begleiten die evangelische und die katholische Kirche das Live-Event mit einem eigenen Rahmenprogramm.