Leisten könne sich Deutschland hingegen einen Boykott von Öl- und Kohlelieferungen aus Russland. Allerdings sollte sich das Land auf einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland vorbereiten und etwa über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Kernkraftwerke nachdenken.
Der Politikwissenschaftler stimmte der Kritik am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland zu. Die Pipeline hätte nicht die Menge des aus Russland eingeführten Gases erhöht. Vielmehr hätte sie ukrainische Pipelines für deutsches Gas überflüssig gemacht und die Erpressbarkeit der Ukraine erhöht.
Dagegen könne der Bezug von Energie aus Russland grundsätzlich nicht als Fehler bezeichnet werden, sagte Dembinski. Deutschland habe 40 Jahre lang problemlos Energie von dort bezogen. Wenn man mit einem autoritären Regime keinen Handel treiben wolle, müsse man auch den Handel mit China abbrechen, was niemand wolle.
Objektive Befunde über Kriegsverbrechen nötig
Die Reaktion auf Kriegsverbrechen müsse in erster Linie eine diplomatisch-politische sein, betonte Dembinski. Noch sei ungeklärt, ob die Zivilisten von einzelnen russischen Einheiten oder auf zentralen Befehl hin ermordet wurden. Die Welt müsse mit möglichst objektiven Befunden durch neutrale Instanzen über das Geschehen aufgeklärt werden. So könnten Verbündete Russlands in Asien und Afrika möglicherweise ihre Haltung überdenken.
Wichtig sei daher, dass der UN-Menschenrechtsrat am vergangenen Montag die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission beschlossen habe und dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen aufnehme.
Ein Motiv Russlands für die großflächigen Angriffe auf Städte und zivile Infrastrukturen könne sein, den Preis für die Ukraine an Menschenleben so hoch zu treiben, dass Präsident Wolodimir Selenski einknicke. Bisher erreiche Russland aber das Gegenteil. Der ukrainische Widerstand werde angefacht, weil die Ukrainer sähen, was passieren kann, wenn sie verlieren.