Normalerweise steht Victor vom Hoff mit beiden Beinen auf der Kanzel und predigt. Am Wochenende allerdings hing der Pfarrer von der Evangelischen Stiftsgemeinde Mosbach mit Bergfeld und Waldstadt wortwörtlich in den Seilen. Grund ist das erlebnispädagogische Angebot der Evangelischen Landeskirche in Baden: "Klettern in der Kirche". Nach 2017 und 2019 macht die "Kletterkirche" bereits zum dritten Mal Station in Baden.
Es brauche Vertrauen, sich in luftige Höhe zu wagen, sagte der Geistliche gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) und ergänzte: "auch Vertrauen ins Material". Er sei noch dabei, "dieses Vertrauen zu gewinnen", gestand vom Hoff. Im Rahmen des Workshops "Teamsicherung lernen" spielte der Theologe auf dem acht Meter hohen Kletterkubus übungshalber eine hilflose Person.
In den nächsten Wochen wird er zusammen mit Ehrenamtlichen Gruppen beim Klettern betreuen. Was hält mich? Was gibt mir Kraft und Mut? Was traue ich mir zu? Die Elemente des acht mal acht mal acht Meter großen Kletterkubus laden dazu ein, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen.
Überwindung von Ängsten
Da sind Wackelbrücken, wie man sie von Kinderspielplätzen kennt, nur viel weiter oben und mit weiter auseinanderliegenden Trittbrettern. Es gibt einen "Lianengang" und zwei Himmelsleitern, auch "Jakobsleitern" genannt. Nach oben geht es über die herabbaumelnden Strickleitern.
Alles sei wackelig beim Klettern, sagte Detlev Hoppenstock. Er ist Landesjugendreferent der Evangelischen Landeskirche in Baden und federführend bei der "Kletterkirche". Die Herausforderung liege in der Überwindung der Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren, so Hoppenstock.
Anders als im Hochseilgarten gehe es beim pädagogischen Kletterangebot nicht darum, ein Ziel nach dem anderen zu erreichen, sondern um Grenzerfahrung und um Teamwork, erklärte der Diakon und Pädagoge. Die Teilnehmer sichern sich gegenseitig. Sie müssen kommunizieren und motivieren.
In der Höhe die Konzentration halten
"Jeder hat die Freiheit auszusteigen, wenn seine Grenzen erreicht sind", betonte Hoppenstock. Schon das Erreichen einer Sprosse mehr erweitere die eigene Grenze, weiß er. Von der Erfahrung, sich beim Klettern aus der "Komfort-" in die "Lernzone" begeben zu haben, ohne in Panik zu verfallen, könnten die Teilnehmer später in anderen Situationen profitieren, so der Trainer.
Begleitet und zusätzlich ein zweites Mal gesichert werden Teilnehmende ab 13 Jahren von ausgebildeten Helfern. Leo, Antonia und Sophia haben an drei Wochenenden gelernt, wie man sich selbst und andere beim Klettern sichert. Schwierig sei es für ihn gewesen, "in der Höhe die Konzentration zu halten", sagte der 20-jährige Leo.
Die Erfahrung, eigene Grenzen auszuweiten, haben Antonia aus Karlsruhe und Sophia aus Mosbach gemacht. "Wir haben eine Stunde gebraucht, um die Himmelsleiter hochzukommen", erzählten sie. Teilnehmer, die verzagen würden, wollten sie ermutigen: "Vielleicht klappt es ja beim zweiten oder dritten Mal", sagte die 28-jährige Sophia.
Mehr als 40 Gruppen haben für die nächsten Wochen einen Termin zu der 2,5 Stunden dauernden Kletterpartie in der Stiftskirche Mosbach gebucht - Konfirmandengruppen, Firmgruppen, Schulklassen. Für manche Jugendliche sei es das erste Mal, dass sie eine Kirche betreten, sagte Pfarrer Victor vom Hoff.
Er hofft, dass die Aktion "Klettern in der Kirche" mehr junge Menschen in die Kirche führt. Unter der Überschrift "Hoch hinaus" bereitet der Pfarrer gerade mit seinen Konfirmandinnen und Konfirmanden den nächsten Jugendgottesdienst zu den Themen Angst, Zweifel, Vertrauen und Bodenhaftung vor.
Der Kletterkubus vermittelt in der Tat ein anderes, aktives Bild von Kirche. Der Kirchenraum verfehle seine Wirkung auf die Kletternden nicht, betont auch Hoppenstock. Welche Wirkung das für den Einzelnen sei, bleibe jedoch jedem selbst überlassen.