Die Hilfsbereitschaft für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zeige, dass Europa umfassende Kapazitäten zur Aufnahme habe, sagte der 51-jährige Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach einer Reise zu Flüchtlingslagern und Hilfsorganisationen in Griechenland. "Wir können auch eine große Anzahl von Menschen bei uns aufnehmen und ihnen helfen, wenn wir uns zusammenschließen."
Er sei sehr froh und dankbar für die vielen Hilfs- und Aufnahmeangebote für Geflüchtete aus der Ukraine, betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Lage in der Ukraine rufe Europa wieder ins Gedächtnis, wie wenig selbstverständlich es sei, eine sichere Heimat zu haben. Diese Hilfsbereitschaft müsse aber auch anderen Gruppen von Asylsuchenden entgegengebracht werden, etwa aus Afghanistan und Syrien. "Wir sollten auf keinen Fall in einen Konflikt von verschiedenen Flüchtlingsgruppen kommen", mahnte Latzel. "Es gibt keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse."
Durch den Krieg in der Ukraine erlebe Europa aktuell einen "Einschnitt, wie wir ihn uns lange nicht vorstellen konnten", sagte der promovierte Theologe, der seit einem Jahr an der Spitze der zweitgrößten deutschen Landeskirche steht. "Hier passiert ein völkerrechtswidriger Angriff auf ein freies Land, das zwar nicht zur EU, aber zu unserer Wertegemeinschaft gehört." Er halte es nicht für klug, in dieser Situation stark von friedenspolitischen Positionen abzurücken. "Sehr skeptisch" ist Latzel etwa im Blick auf den Einsatz bewaffneter Drohnen oder atomare Abschreckung: "Das sind Dimensionen, die meiner Meinung nach die Gefahr einer Eskalation bergen und zivile Lösungsmöglichkeiten aus dem Blick lassen."
Dennoch halte er es für richtig, alles dafür zu tun, den Angriffskrieg Russlands politisch schnell zu beenden, sagte Latzel. "Dazu gehören für mich in dieser Ausnahmesituation auch Sanktionen und die Ukraine zu stärken, sich selbst zu verteidigen." Doch militärische Aktionen könnten immer nur die Ultima Ratio sein.
Latzel hatte sich kürzlich eine Woche lang in Griechenland ein Bild von der humanitären Lage von Flüchtlingen gemacht. Neben Flüchtlingscamps besuchte er auch Hilfsorganisationen.