Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine suchen Deutschland und die EU nach einer deutlichen Antwort auf das Vorgehen Russlands. Man müsse der russischen Führung klarmachen: "Für diese Aggression zahlt sie einen bitteren Preis", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin.
Für den Abend war ein Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs geplant, bei dem es um weitere Sanktionen gehen sollte. Die Bundesregierung bereitet sich zudem auf humanitäre Hilfe und ukrainische Flüchtlinge vor. Eine militärische Unterstützung der Ukraine ist weiter nicht geplant.
Mit deutlichen Worten verurteilten Vertreter der Bundesregierung das Vorgehen des russischen Staatschefs Wladimir Putin. Putin breche "eklatant das Völkerrecht" und bringe Leid und Zerstörung über seine direkten Nachbarn, sagte Scholz. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, dieser Krieg solle vor allem die Hoffnung der Menschen in der Ukraine zerstören, "dass sie nach Jahrzehnten der Unfreiheit ein Recht auf Demokratie, ein Recht auf Frieden und auf eine bessere Zukunft ohne Unterdrückung haben". Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte: "Dieser Tag ist eine Zäsur für Europa und die Welt."
Scholz kündigte an, sich als derzeitiger Vorsitzender der G7-Staaten für eine "einheitliche und klare Reaktion der wirtschaftlich stärksten Demokratien" einsetzen zu wollen. Für den Nachmittag war eine Video-Konferenz der G7-Staats- und Regierungschefs geplant. Eine zunächst angesetzte Pressekonferenz nach den Beratungen wurde wieder abgesagt. Vereinbart wurde dagegen für Sonntag eine Sondersitzung des Bundestags mit einer Regierungserklärung von Scholz zur Lage in der Ukraine.
Der russische Angriff befeuerte auch wieder die Frage deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine. Habeck, als Wirtschaftsminister zuständig für den Bereich der Rüstungsexporte, schloss diese weiter aus: "Wir werden keine Waffen an die Ukraine liefern." Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies auf die restriktive Haltung der Bundesregierung in dieser Frage. Gleichzeitig versicherte sie, Deutschland werde alle Anfragen der Nato-Partner erfüllen.
Derweil boten acht EU-Länder der Ukraine Hilfe im Rahmen des EU-Zivilschutzmechanismus an. Slowenien, Rumänien, Frankreich, Irland, Österreich, Spanien, Schweden und Kroatien hätten sich bereit erklärt, medizinische Ausrüstung, Erste-Hilfe-Sets, Generatoren, Wasserpumpen und Brandschutzausrüstung zu liefern, hieß es aus EU-Kommissionskreisen.
Vorbereitungen auf Flüchtlingsbewegung
In Deutschland bereiten sich Bund und Länder unterdessen auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich für eine unbürokratische Aufnahme aus. Faeser verwies nach einem Gespräch mit den Fachminister:innen der Länder auf den Paragrafen 24 im Aufenthaltsgesetz, der auf Grundlage eines EU-Beschlusses Kriegsflüchtlingen aus einem Land vorübergehenden Schutz ermöglicht. Sie empfehle, sich auf diese Möglichkeit vorzubereiten, sagte Faeser und verwies auf den EU-Gipfel am Donnerstagabend.
Die Innenministerin betonte gleichzeitig, es könnten noch keine verlässlichen Prognosen über Fluchtbewegungen abgegeben werden. Sie rechne zunächst mit einer Fluchtbewegung innerhalb der Ukraine. Nach UN-Angaben hat diese bereits eingesetzt. Menschen flüchteten aus ihren Häusern auf der Suche nach Sicherheit, erklärte UN-Hochkommissar Filippo Grandi. Er forderte, die Grenzen zu den Nachbarländern für Flüchtlinge offenzuhalten.
Ukrainer können mit einem biometrischen Pass ohne Visum in die EU einreisen und 90 Tage bleiben. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte, bei der Einreise nicht auf den biometrischen Pass zu bestehen, weil den nur die wenigsten Menschen in der Ukraine haben. Hilfsorganisationen wie die Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International riefen zu Spenden für die vom Konflikt zwischen Russland und der Ukraine betroffene Bevölkerung auf.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ruft Staaten weltweit zur Unterstützung der Ukraine auf. "Kein Land der Welt kann akzeptieren, dass die Souveränität anderer zur Disposition steht, wenn sein stärkerer Nachbar es will", sagte sie am Donnerstag in Berlin. Deutschland wende sich mit seinem diplomatischen Netzwerk an alle Staaten, die an die Charta der Vereinten Nationen glaubten, um sich gemeinsam dieser Aggression entgegenzustellen.
Die UN-Charta sieht im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen einen souveränen Staat das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung vor, um Frieden und internationale Sicherheit wiederherzustellen.
Baerbock spricht von "massivsten Sanktionen"
Baerbock betonte mit Blick auf die russische Militäroffensive gegen die Ukraine: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht." Russland allein habe diesen Weg gewählt. Dieser Krieg solle vor allem die Hoffnung der Menschen in der Ukraine zerstören, "dass sie nach Jahrzehnten der Unfreiheit ein Recht auf Demokratie, ein Recht auf Frieden und auf eine bessere Zukunft ohne Unterdrückung haben". An Russlands Präsidenten Putin gerichtet, sagte sie: "Diesen Traum werden Sie niemals zerstören können." Dieser Traum wachse in der Ukraine und ebenso in Russland. Sie wies zudem auf Beratungen von EU, Nato und G7 hin und kündigte an, dass das "das volle Paket mit massivsten Sanktionen" auf den Weg gebracht werde.
Das Auswärtige Amt veröffentlichte eine Reisewarnung und forderte deutsche Staatsangehörige mit den Worten, "in der Ukraine finden Kampfhandlungen und Raketenangriffe statt" dringend auf, das Land zu verlassen. Eine Evakuierung durch deutsche Behörden sei derzeit nicht möglich. Baerbock wies aber darauf hin, dass die deutschen Auslandsvertretungen in den Nachbarländern Polen, Slowakei, Ungarn und Moldau an den Grenzen Unterstützung leisten würden. Verbliebenes entsandtes Personal der deutschen Vertretung sei aus Sicherheitsgründen aus Kiew abgezogen worden, werde jedoch die Arbeit in Lwiw (Lemberg) oder an einem anderen Ort wieder aufnehmen.
Guterres: Unabsehbare Folgen für Weltwirtschaft
Im Namen der Menschlichkeit solle der russische Präsident Wladimir Putin seine Truppen aus dem Nachbarland wieder zurückziehen, verlangte UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwochabend (Ortszeit) in New York.
Nach einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates zu der Ukraine-Krise erklärte Guterres, ein Krieg in Europa drohe zum schlimmsten Konflikt des Jahrhunderts zu werden. Er befürchte Verheerungen in der Ukraine, tragische Konsequenzen für Russland und unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft. Guterres sprach von dem traurigsten Tag seiner mehr als fünf Jahre dauernden Amtszeit als UN-Generalsekretär.
Die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, verurteilte den russischen Angriff scharf und forderte den Sicherheitsrat auf, zu handeln. Zuvor hatte sie vor großen Fluchtbewegungen im Zuge einer russischen Aggression in der Ukraine gewarnt. Bis zu fünf Millionen Menschen könnten vertrieben werden.