epd: Frau Gottwald, ein bekanntes Sprichwort lautet "Wahre Schönheit kommt von innen". Was sagen Sie als Stil- und Imageberaterin zu dieser Weisheit?
Birgit Gottwald: Ich würde das nicht so absolut sehen. Natürlich bringt alle äußere Schönheit nichts, wenn der Charakter und das Wesen nicht dazu passen. Schönheit ist jedoch erst dann komplett, wenn sie auch äußerlich ihren Ausdruck gefunden hat. Unser Erscheinen, unsere äußere Hülle, hat auf uns selbst und auf andere einen Einfluss. Innere und äußere Schönheit können nicht voneinander getrennt werden. Gott hat die beiden Bereiche auch nicht getrennt. Beide Bereiche sind seine Idee beziehungsweise Ergebnis seiner wunderbaren Schöpfung. Deshalb möchte ich Mut machen, auch die äußere Schönheit vorteilhaft zu unterstreichen und gleichzeitig die Schönheit unseres inneren Wesens zu fördern.
"Innere und äußere Schönheit können nicht voneinander getrennt werden."
Was bedeutet für Sie persönlich "Wahre Schönheit?"
Gottwald: Für mich ist ein Mensch schön, der sich selbst wohlwollend betrachtet und in allen Bereichen seines Seins das Beste aus sich macht. Ein schöner Mensch ist mit sich selbst und mit seiner Lebenssituation innerlich versöhnt. Es verbreitet sich eine ansprechende Aura, wenn ein solcher Mensch einen Raum betritt: schön anzusehen, freundlich, offen, echt und authentisch.
Kann aus Ihrer Sicht also jeder Mensch schön sein?
Gottwald: Ja, unbedingt. Allerdings ist unser Schönheitsideal durch unsere Kultur, persönliche Erlebnisse, die Medien und vieles mehr geprägt. Deshalb haben wir oft nur einen begrenzten Blick auf unsere eigene Schönheit. Aber ich denke, dass jeder es lernen kann, sich selbst und andere durch Gottes wohlwollende Augen zu sehen, das Schöne wahrzunehmen und dann auch zu spiegeln.
"Ich denke, dass jeder es lernen kann, sich selbst und andere durch Gottes wohlwollende Augen zu sehen."
In ihrem neu erschienenen Buch "Du bist schön. Entdecke deine Einzigartigkeit" (Hänssler-Verlag Holzgerlingen) raten Sie dazu, sich realistisch mit anderen zu vergleichen. Was meinen Sie damit genau?
Gottwald: Viel Unzufriedenheit entsteht durch unrealistisches Vergleichen. Ich kann mich mit meinen 53 Jahren nicht mit einer 20-jährigen jungen Frau vergleichen. Wenn schon, sollte ich mich mit Frauen in einer ungefähr ähnlichen Lebenssituation und gleichem Alter vergleichen. Das ist fair mir gegenüber und außerdem realistischer.
Im Ausland fallen deutsche Touristen oft auf durch ihre Funktionskleidung wie Trekkingschuhe und atmungsaktive Hosen auf. Kann es sein, dass viele Deutsche bei ihrer Kleiderwahl oft mehr auf Zweckmäßigkeit achten, als dass sie besonders hübsch aussehen?
Gottwald: (lacht). Ja, das stimmt, vielen ist wichtig, dass die Kleidung vor allem praktisch und bequem ist. Aber wenn ich etwas Bequemes tragen will, dann müssen es nicht immer Jeans, Shirt und Turnschuhe sein. Ein Kleid, Ballerina-Schuhe und eine passende Kette wäre auch eine bequeme, schöne und in diesem Fall definitiv weiblichere Alternative. Im Übrigen herrscht hierzulande eine fast schon zementierte Meinung, dass schwarze Kleidung immer passt und man damit nie etwas falsch macht. Allerdings gibt es viele Menschen, denen andere Farben wesentlich besser zu Gesicht stehen. Oft fehlt nur der Mut, sich an andere Farben heranzutrauen. Die Welt wäre so viel bunter, wenn sich mehr Menschen trauen würden, auch einmal andere Farben zu tragen.