Marx habe seinen "Glauben und das Vertrauen in die Institution Kirche" durch "fehlende Hirtensorge" und "moralische Versäumnisse" zerstört, schrieb Richard Kick, Mitglied des Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising, in einem offenen Brief. Am 27.1. will sich Kardinal Reinhard Marx inhaltlich zu den Ergebnissen des Gutachtens äußern.
Kick fordert Marx auf, seine "bischöfliche Hirtenaufgabe" nun wahrzunehmen: "Fassen Sie all Ihren Mut, öffnen Sie Ihr Herz und gehen Sie mit weit geöffneten Armen auf uns Betroffene zu."
Darüber hinaus müsse der Münchner Erzbischof die weitaus größere Zahl von bislang unbekannten Missbrauchs-Betroffenen dazu ermutigen, sich zu melden. Marx wird in dem Gutachten Fehlverhalten im Umgang mit zwei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch vorgeworfen.
Neues Vertrauen schaffen
Kick schreibt zudem, Marx müsse nun endlich dafür sorgen, "dass das jahrzehntelange Leid" der Betroffenen "durch eine angemessene und schnelle Entschädigungsleistung finanzieller Art" gewürdigt werde. Die bisherigen Zahlungen seien "angesichts der Taten im sakralen Kontext allenfalls als Almosen zu bezeichnen". Marx müsse nun die Grundlagen dafür schaffen, dass Betroffene, deren Familien, Kirchenbedienstete, Kirchengemeinden und Gläubige "wieder Vertrauen in ihren ureigenen christlichen Glauben finden", schreibt Kick in dem auf den 24. Januar datierten Brief.
Am 20. Januar hatte die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl ihr unabhängiges Gutachten vorgestellt, das sie im Auftrag des Erzbistums angefertigt hatte. Demnach gab es im Untersuchungszeitraum von 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt im Erzbistum.
Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird vorgeworfen, als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 in vier Fällen nicht ausreichend gegen Missbrauchs-Täter vorgegangen sein. Marx soll in seiner Amtszeit Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben.