Das Jahr 2022 steht unter dem christlichen Leitwort "Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen." Die Jahreslosung aus dem Johannesevangelium passt gut für das neue Jahr, findet der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. "Du darfst einfach so sein, wie du bist. Und Gottes Arme sind offen und empfangen dich", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Auch für ihn persönlich sei die Jahreslosung wichtig: "Ich sage manchmal Dinge, die kontrovers sind, wo ich heftigen Gegenwind bekomme. Da aus der tiefen Gewissheit leben zu dürfen, dass ich auch Fehler machen kann und Gott trotzdem zu mir steht, das ist gerade in meinem Amt etwas ganz Wunderbares."
Ausgewählt werden die Jahreslosungen von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen. Der Text soll Menschen durch das Jahr begleiten, zum Nachdenken anregen und auch motivieren, sich mit der Bibel zu beschäftigen. Für Menschen in der Seelsorge wirkt die Jahreslosung wie ein Rettungsprogramm Gottes. Die Regensburger Krankenhausseelsorgerin Heidi Kääb predigt zum Jahresanfang nicht nur über den Bibelvers, erzählt sie. Sie habe sich sogar einen Fundus an Kärtchen zugelegt, die sie, wenn es passe, Patientinnen und Patienten dalasse. Oder sie lese ihnen den Spruch vor.
Menschen willkommen heißen nach Jesu Vorbild
Für Norbert Ellinger, den Leiter der Münchner Insel, ist die Jahreslosung eine Art Versprechen: "Wer auch immer Du bist, hier bist Du willkommen." Im Sinne der Jahreslosung versteht Gerald Kick, Landeskirchlicher Beauftragter für die Belange sehbehinderter und blinder Menschen, seinen Auftrag. "Eine Frau, die früher sehr aktiv in der Kirchengemeinde war, fühlte sich mit fortschreitender Sehbehinderung ausgeschlossen. Verzweifelt und enttäuscht meldete sie sich bei mir. Es tut ihr gut, dass sie ihr Leid aussprechen kann."
Kick erläutert weiter: "Menschen sollen spüren, dass sie eingeladen sind, dass jemand ein offenes Ohr für ihre Anliegen hat und mit ihnen zusammen überlegt, was trotz der Sehbehinderung noch möglich ist." Darüber hinaus möchte er ein Gesprächspartner sein, "der gemeinsam mit ihnen aushält, wenn das fehlende Augenlicht große Veränderungen im Leben mit sich bringt".
Seelsorge am Münchner Flughafen
Christine Stöhr ist Seelsorgerin am Münchner Flughafen. Sie trifft in ihrer Arbeit viele Menschen, die meistens sprichwörtlich auf der Durchreise sind. Den Menschen möchte sie vermitteln: "Wunderbar, dass Du da bist" und "Du bist nicht allein". Diese Sätze, ausgesprochen mit Worten oder durch Gesten, "drücken eine Haltung aus, mit der man am Flughafen arbeiten kann", sagt sie.
"Uns begegnen hier Menschen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen: Die alte Dame, deren Sprache wir nicht herausfinden können. Sie kann den Anschlussflug nicht nehmen, weil der Coronatest zu alt ist. Der alkoholabhängige Mann, der sein Leben nicht mehr im Griff hat. Die verzweifelte Migrantin, deren Hoffnungen sich zerschlagen haben. Der Geschäftsmann, dem der Sinn des Lebens abhanden kam. Die glückliche Familie, weil sie wieder zusammen ist." Die Jahreslosung 2022 wollen sich die Mitarbeiter an die Türen der kirchlichen Dienste am Flughafen München hängen. "Auch zur Krippe in Bethlehem durften alle kommen. Damals zu Fuß, mit Esel oder Kamel. Heute würden sie gewiss fliegen."
"Gemeinsam halten wir die Belastung aus"
Gunther Wiendl ist Militärpfarrer in der Wilhelm-Frankl-Kaserne in Neuburg an der Donau. Die Jahreslosung passt sehr gut zur Militärseelsorge, findet er. Soldatinnen und Soldaten, aber auch zivile Beschäftigte der Bundeswehr kämen sehr vertrauensvoll zu ihren Militärgeistlichen mit allen Schwierigkeiten, die das Leben so biete: Ablösungsprobleme vom Elternhaus, dement werdende Eltern, disziplinarische Vergehen oder als ungerecht empfundene Beurteilungen. "Oft werde ich dabei auch mit Situationen konfrontiert, mit denen ich bisher noch keine Erfahrungen gemacht habe. Auch wenn ich erstmal keine Antworten weiß, schicke ich den Kameraden nicht fort. Gemeinsam halten wir die Belastung aus, suchen nach Möglichkeiten. Und ich spüre, das hilft meinem Gegenüber", sagt der Militärpfarrer.
Die Jahreslosungen werden von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) ausgewählt. Ins Leben gerufen wurde die Tradition der Losungen von dem Pfarrer und Liederdichter Otto Riethmüller (1889-1939), der zur Bekennenden Kirche gehörte. Als Direktor des Reichsverbands der Evangelischen Jugend wollte er den NS-Parolen einen Bibelvers entgegenstellen und begann 1934 mit einer Jahreslosung.