Die Missbrauchsbetroffenen kritisierten zuvor unter anderem, nicht auf Augenhöhe behandelt zu werden, und warfen der EKD vor, das Scheitern des Betroffenenbeirats unter anderem durch mangelnde Rahmensetzung selbst verursacht zu haben. Das Gremium war im Frühjahr ausgesetzt worden.
Die Bischöfin zeigte sich in ihrem Statement sichtlich bewegt, rang mit den Tränen. Sie sei bewegt von der Kritik, vor allem, weil diese so klar sei. Es sei ein „Moment von Selbstkritik, bei dem man auch diese Verantwortung übernehmen muss“, sagte Fehrs.
Der Kritik an der Vorbereitung des Betroffenenbeirats entgegnete sie, es sei der Versuch gewesen, „nicht paternalistisch und nicht als machtvolle Kirche den Rahmen von Betroffenenratsarbeit zu setzen“. Man habe die Betroffenen nicht begrenzen wollen. Inzwischen sei klar, dass der Ansatz der falsche Weg gewesen sei, sagte Fehrs, der bei der Aussprache die Stimme brach. Die Hamburger Bischöfin war erste Sprecherin des Beauftragtenrats der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt.
In der Aussprache der Synode reagierte Detlev Zander, früheres Mitglied im Betroffenenbeirat, der zuvor die EKD selbst scharf kritisiert hatte, auf die emotionale Einlassung von Fehrs. Ihm tue es leid, sie weinen zu sehen, sagte er. Fehrs sei diejenige gewesen, die das Thema seit Jahren vorangebracht habe und dabei von vielen Kolleginnen und Kollegen im Stich gelassen worden sei, sagte Zander.
Fehrs kandidiert erneut für den Rat der EKD, der am Dienstag von der Synode gewählt werden soll. Sie gilt neben anderen Kandidierenden als eine mögliche Nachfolgerin für den scheidenden Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, will das Thema Missbrauch stärker auf den jährlichen Synodentagungen verankern. "Wir brauchen ein höheres Tempo, mit dem wir Aufarbeitung und Prävention vorantreiben", sagte Heinrich am Montagnachmittag in Bremen im Anschluss an eine Diskussion über den Umgang der Kirche mit Fällen sexualisierter Gewalt auf der digitalen Herbsttagung der Synode.
Präses: "Wir beanspruchen keine Deutungshoheit"
Das Synoden-Präsidium stellte den Antrag, eine synodale Kommission einzusetzen, die das Thema Missbrauch inhaltlich für die Synodentagungen vorbereitet und die Delegierten fortlaufend informiert. Auch Betroffene sollen an der Arbeit der Kommission beteiligt werden. Über den Beschlussantrag soll am Mittwoch abschließend beraten werden.
Mit Blick auf die Diskussion über die gescheiterte Betroffenenbeteiligung betonte Heinrich: "Wir beanspruchen nicht die Deutungshoheit, über das was passiert ist." Das Ziel von Aufarbeitung und Prävention müsse "null Toleranz für die Täter und maximale Transparenz für Betroffene" sein. Die Synode fordere nun, dass die Neuausrichtung der Betroffenenpartizipation und eine geplante Vernetzungsplattform für Betroffene rasch umgesetzt werden.
Rörig sieht EKD-Rat in der Pflicht
Der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, begrüßte die Ankündigung. Dies biete die Chance zu stärkerer inhaltlicher Befassung, Transparenz und einer breiteren Beteiligung für Synode, Betroffene und externe Experten. Rörig sieht dennoch auch den Rat der EKD als Leitungsgremium weiter in der Pflicht. „Spannend wird jetzt sein, welche Signale der neue EKD-Rat und der neue EKD-Vorsitz senden werden“, sagte er dem epd. Beides wird bis Mittwoch bei der Synode gewählt.
Derweil deutet sich in der evangelischen Kirche auch eine Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts an, das unabhängig von staatlichen Gerichten Sanktionen gegen kirchliches Personal bei Fehlverhalten vorsieht. Die Betroffene Christiane Lange schilderte vor der Synode die derzeitigen Probleme mit der Regelung. In kirchenrechtlichen Verfahren klage die Kirche gegen den Täter. Der werde für das bestraft, was er der Kirche angetan habe. „Der Missbrauch zählt kaum“, sagte Lange. Und das habe auch für sie als Opfer gegolten: „Ich wurde nicht informiert, wusste nie, ob ich nochmals aussagen müsste, wo das Verfahren stand und hatte keinerlei Einfluss oder Rederecht in den Verhandlungen.“ Sie forderte mehr Transparenz für die Opfer und die Möglichkeit einer Nebenklage.
Das Problem räumen auch Verantwortliche der Kirche ein. Der Sprecher des Beauftragtenrats Christoph Meyns sprach sich in seinem Bericht für eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahmen in Fällen sexualisierter Gewalt aus. Zudem müsse die Information und Begleitung Betroffener vor, während und nach diesen Verfahren stärker verankert werden. Aus der Synode, die über Kirchengesetze entscheidet, kam ebenfalls Zustimmung. Das Prinzip müsse sein „null Toleranz für Täter, maximale Transparenz für Opfer“, sagte Präses Heinrich.
Der Rat der EKD hatte im Mai den erst im Herbst 2020 berufenen Betroffenenbeirat wieder ausgesetzt, nachdem es zu Konflikten innerhalb des Gremiums und in der Zusammenarbeit mit der EKD gekommen war. Einzelne Betroffene waren zurückgetreten. Der Grund waren die ungeklärte Basis der Zusammenarbeit mit der EKD und fehlende finanzielle Ressourcen.
Auch im Haushalt der EKD, der am Montag in erster Lesung von der Synode beraten wurde, wird sich die Aufarbeitung von Missbrauch niederschlagen. Das für Finanzen zuständige Ratsmitglied Andreas Barner sagte, für 2022 seien dafür knapp 1,1 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Wegen zu der erwartenden Beschlüsse sei aber noch mit Aufwüchsen zu rechnen. Insgesamt soll der Haushalt der EKD im kommenden Jahr 246,1 Millionen Euro umfassen.