Heiliggeistgemeinde Heidelberg hatte Deutschlands erste evangelische Pfarrerin
© Georg Buzin ,CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons
Von dieser Kanzel durfte sie nie ihre Examenspredigt halten, an diesem Taufbecken nie taufen und an diesem Altar nie das Abendmahl halten. Die studierte Theologin Elsbeth Oberbeck war Deutschlands erste Pfarrerin und stellte 1917 in der Heiliggeistgemeinde Heidelberg ihr Leben in den "Hilfsdienst in der Kirche".
Elsbeth Oberbeck
Die erste Frau mit Theologie-Examen
Sie studierte Theologie und legte als erste Frau in Deutschland das Examen ab: Doch das Pfarramt bliebt Elsbeth Oberbeck verwehrt. Zeitlebens blieb sie ohne Titel und Talar. Vor 150 Jahren wurde sie geboren.
13.08.2021
Christine Süß-Demuth

Sie hatte ihr Ziel klar vor Augen: Elsbeth Oberbeck wollte ihrer Kirche dienen, Theologie studieren und weiblicher "Pfarrer" werden. Als erste Frau in Deutschland legte sie im Frühjahr 1916 ihr Examen ab, bei der Evangelischen Landeskirche in Baden. Was heute zumindest in der evangelischen Kirche selbstverständlich ist, war damals eine echte Sensation.

Damit wollte die Landeskirche jedoch keinen Präzedenzfall setzen. Vielmehr sollte Oberbecks Zulassung zur Prüfung ein Einzelfall bleiben und nicht an die Öffentlichkeit dringen - weder in örtlichen Zeitungen noch in kirchlichen Blättern. Trotzdem spekulierten Journalisten, es werde bald ein "Fräulein Pfarrer" geben. So wurde sie später auch in ihrer Heidelberger Heiliggeistgemeinde anerkennend genannt, erläutert die Heidelberger Theologin Sarah Banhardt, die zur Geschichte der Frauenordination forscht.

Kirche blieb ihre Heimat

Vor 150 Jahren, am 19. August 1871, wurde Elsbeth Auguste Oberbeck in Breslau geboren. Die Familie zog nach Berlin als sie ein Jahr alt war, weil der Vater als Königlicher Eisenbahn-Bauinspektor versetzt wurde. Ihre Eltern waren zwar nicht sehr kirchenverbunden, trotzdem wurde sie in Berlin konfirmiert. Oberbeck heiratete nie und kümmerte sich nach dem Tod ihres Vater 1894 um die Mutter, die im Jahr 1904 starb.

Dabei blieb die Kirche Oberbecks Heimat. Sie wollte Gott dienen und "das Leben zu einem rechten Gottesdienst gestalten", wie sie einmal schrieb. Diakonisse konnte sie aus gesundheitlichen Gründen nicht werden. So entschied sie sich mit 37 Jahren zur Schule zu gehen und machte 1912 ihr Abitur.

Mit 41 Jahren begann sie das Studium

Im Alter von 41 Jahren ging sie dann nach Jena und Heidelberg zum Theologiestudium, umringt von Studenten, die ihre Söhne hätten sein können. Und einen Plan B hatte für ihren Abschluss hatte sie auch: Um die Examina abzulegen, hätte sie sogar einen Umzug ins Ausland erwogen, etwa nach Basel oder Zürich. In der Schweiz konnten Frauen damals schon Examen machen.

1917 bestand Oberbeck auch das zweite theologische Examen mit 45 Jahren. Die dazugehörige Examenspredigt durfte sie allerdings nicht halten, sondern nur schriftlich einreichen. Für eine Frau bedeutete die bestandene Prüfung allerdings keineswegs die Aufnahme in den landeskirchlichen Dienst, sagt Banhardt. Anders als die männlichen Prüflinge durfte Oberbeck nicht als Pfarrerin arbeiten.

Keine Aussicht, Pfarramt zu übernehmen

Daher suchte sie sich selbst eine Kirchengemeinde, die sie mit Privatvertrag anstellte. Im September 1917 trat sie "zum Hilfsdienst in der Kirche" in der Kirchengemeinde Heidelberg an: ohne Ordination, ohne Einsegnung, ohne Erlaubnis der Sakramentsverwaltung, ohne Titel, ohne Talar, aber mit der Verpflichtung zur Ehelosigkeit.

Heiliggeistkirche, noch mit original gotischem Kirchturm, mit Spitzhelm versehen um 1618. Links im Bild, das Heidelberger Schloss. Von der Theologin, die in dieser Gemeinde zu Hause war existiert in keinem Kirchenarchiv ein Bild.

Für Oberbeck gab es keine Aussicht, selbstständig und in eigener Verantwortung ein Gemeindepfarramt zu übernehmen. In Baden konnten Theologinnen lediglich seelsorgerlich tätig sein - hauptsächlich für Frauen und Kinder etwa in Schulen, Krankenhäusern und Frauengefängnissen. Predigen, Taufen oder Abendmahl feiern durften sie aber nicht, sagt Banhardt.

Weil Oberbeck die Aufnahme in den Dienst der Landeskirche verwehrt war, sie aber pfarramtliche Aufgaben erfüllte, wandte sich der Dekan Heinrich Schlier immer wieder vergeblich an den Sitz der badischen Landeskirche in Karlsruhe: "Fräulein Oberbeck ist nicht blos eine Barmherzige Mitschwester, die Kranke besucht, sondern sie ist Theologin, weiblicher Pfarrer." Ob Ordination, Dienstbezeichnung, Talar oder die Rechtsgrundlagen: Alle Anträge wurden abgelehnt. Als offiziell erste Pfarrerin in Deutschland galt später Elisabeth Haseloff. Sie war schon im Zweiten Weltkrieg als Pfarrerin tätig, wurde aber erst 1958 in Lübeck ordiniert.

Da Oberbeck sich nicht Pfarrerin nennen durfte, prägte sie den Titel "Pfarrgehilfin", gegen den Willen des Oberkirchenrats. Damit wollte sie die akademische Ausbildung und das "Amt der Theologin" betonen. Trotzdem liebte sie ihren Beruf und ermutigte andere Frauen, Theologie zu studieren: "Darum wagt es Schwestern den beschwerlichen aber beseligenden Weg des theologischen Studiums zu beschreiten", schrieb sie 1918 in der Zeitschrift "Christliche Welt".

Auch wenn sie nicht Pfarrerin sein könne, stehe sie "bereits heute auf eine ganz besonders beglückende Art" im Dienste Gottes, schrieb sie weiter. Elisabeth Oberbeck starb am 25. Oktober 1944 in Heidelberg.